wärts wieder niederzufallen, und uns im Vorübergehen mit einem weissagenden Auge, "oculo torvo sini- stroque" zu betrachten. Aus den einzelnen Wach- holderbüschen dringt das klagende, mövenartige Geschrill der jungen Kibitze, die wie Taucher-Vögel im Schilf in ihrem stachlichen Asyle umschlüpfen, und bald hier bald dort ihre Federbüschel hervor- strecken. Dann noch etwa jede Meile eine Hütte, vor deren Thür ein paar Kinder sich im Sande wälzen und Käfer fangen, und allenfalls ein wan- dernder Naturforscher, der neben seinem überfüllten Tornister kniet und lächelnd die zierlich versteinerten Muscheln und Seeigel betrachtet, die wie Modelle einer früheren Schöpfung hier überall verstreut lie- gen, -- und wir haben Alles genannt, was eine lange Tagereise hindurch eine Gegend belebt, die keine andere Poesie aufzuweisen hat, als die einer fast jungfräulichen Einsamkeit, und einer weichen, traumhaften Beleuchtung, in der sich die Flügel der Phantasie unwillkürlich entfalten. Allmählich bereiten sich indessen freundlichere Bilder vor, -- zerstreute Grasflächen in den Niederungen, häufigere und frischere Baumgruppen begrüßen uns als Vorposten nahender Fruchtbarkeit, und bald befinden wir uns in dem Herzen des Münsterlandes, in einer Gegend, die so anmuthig ist, wie der gänzliche Mangel an Gebirgen, Felsen und belebten Strömen dieses nur
wärts wieder niederzufallen, und uns im Vorübergehen mit einem weiſſagenden Auge, „oculo torvo sini- stroque“ zu betrachten. Aus den einzelnen Wach- holderbüſchen dringt das klagende, mövenartige Geſchrill der jungen Kibitze, die wie Taucher-Vögel im Schilf in ihrem ſtachlichen Aſyle umſchlüpfen, und bald hier bald dort ihre Federbüſchel hervor- ſtrecken. Dann noch etwa jede Meile eine Hütte, vor deren Thür ein paar Kinder ſich im Sande wälzen und Käfer fangen, und allenfalls ein wan- dernder Naturforſcher, der neben ſeinem überfüllten Torniſter kniet und lächelnd die zierlich verſteinerten Muſcheln und Seeigel betrachtet, die wie Modelle einer früheren Schöpfung hier überall verſtreut lie- gen, — und wir haben Alles genannt, was eine lange Tagereiſe hindurch eine Gegend belebt, die keine andere Poeſie aufzuweiſen hat, als die einer faſt jungfräulichen Einſamkeit, und einer weichen, traumhaften Beleuchtung, in der ſich die Flügel der Phantaſie unwillkürlich entfalten. Allmählich bereiten ſich indeſſen freundlichere Bilder vor, — zerſtreute Grasflächen in den Niederungen, häufigere und friſchere Baumgruppen begrüßen uns als Vorpoſten nahender Fruchtbarkeit, und bald befinden wir uns in dem Herzen des Münſterlandes, in einer Gegend, die ſo anmuthig iſt, wie der gänzliche Mangel an Gebirgen, Felſen und belebten Strömen dieſes nur
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wärts wieder niederzufallen, und uns im Vorübergehen
mit einem weiſſagenden Auge, „oculo torvo sini-
stroque“ zu betrachten. Aus den einzelnen Wach-
holderbüſchen dringt das klagende, mövenartige
Geſchrill der jungen Kibitze, die wie Taucher-Vögel
im Schilf in ihrem ſtachlichen Aſyle umſchlüpfen,
und bald hier bald dort ihre Federbüſchel hervor-
ſtrecken. Dann noch etwa jede Meile eine Hütte,
vor deren Thür ein paar Kinder ſich im Sande
wälzen und Käfer fangen, und allenfalls ein wan-
dernder Naturforſcher, der neben ſeinem überfüllten
Torniſter kniet und lächelnd die zierlich verſteinerten
Muſcheln und Seeigel betrachtet, die wie Modelle
einer früheren Schöpfung hier überall verſtreut lie-
gen, — und wir haben Alles genannt, was eine
lange Tagereiſe hindurch eine Gegend belebt, die
keine andere Poeſie aufzuweiſen hat, als die einer
faſt jungfräulichen Einſamkeit, und einer weichen,
traumhaften Beleuchtung, in der ſich die Flügel der
Phantaſie unwillkürlich entfalten. Allmählich bereiten
ſich indeſſen freundlichere Bilder vor, — zerſtreute
Grasflächen in den Niederungen, häufigere und
friſchere Baumgruppen begrüßen uns als Vorpoſten
nahender Fruchtbarkeit, und bald befinden wir uns
in dem Herzen des Münſterlandes, in einer Gegend,
die ſo anmuthig iſt, wie der gänzliche Mangel an
Gebirgen, Felſen und belebten Strömen dieſes nur
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/250>, abgerufen am 23.11.2024.
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