Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.sehe nichts," sagte Herr von S. -- "Hierher müssen "Gott, es ist Johannes! -- Setzt die Leiter "Mein Gott!" sagte er; er beugte sich wieder Dann wandte er sich zu dem Förster: "Es Die Leiche ward auf dem Schindanger ver- Dies hat sich nach allen Hauptumständen Die hebräische Schrift an dem Baume heißt: "Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird 15*
ſehe nichts,“ ſagte Herr von S. — „Hierher müſſen „Gott, es iſt Johannes! — Setzt die Leiter „Mein Gott!“ ſagte er; er beugte ſich wieder Dann wandte er ſich zu dem Förſter: „Es Die Leiche ward auf dem Schindanger ver- Dies hat ſich nach allen Hauptumſtänden Die hebräiſche Schrift an dem Baume heißt: „Wenn du dich dieſem Orte naheſt, ſo wird 15*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0243" n="227"/> ſehe nichts,“ ſagte Herr von S. — „Hierher müſſen<lb/> Sie treten, hierher, an dieſe Stelle!“ — Wirklich,<lb/> dem war ſo: der Gutsherr erkannte ſeine eigenen<lb/> abgetragenen Schuhe.</p><lb/> <p>„Gott, es iſt Johannes! — Setzt die Leiter<lb/> an! — ſo — nun herunter! — ſacht, ſacht! laßt<lb/> ihn nicht fallen! — Lieber Himmel, die Würmer<lb/> ſind ſchon daran! Macht dennoch die Schlinge auf<lb/> und die Halsbinde.“ Eine breite Narbe ward ſicht-<lb/> bar; der Gutsherr fuhr zurück.</p><lb/> <p>„Mein Gott!“ ſagte er; er beugte ſich wieder<lb/> über die Leiche, betrachtete die Narbe mit großer<lb/> Aufmerkſamkeit und ſchwieg eine Weile in tiefer<lb/> Erſchütterung.</p><lb/> <p>Dann wandte er ſich zu dem Förſter: „Es<lb/> iſt nicht recht, daß der Unſchuldige für den Schul-<lb/> digen leide; ſage es nur allen Leuten: der da“ —<lb/> er deutete auf den Todten — „war Friedrich<lb/> Mergel.“</p><lb/> <p>Die Leiche ward auf dem Schindanger ver-<lb/> ſcharrt.</p><lb/> <p>Dies hat ſich nach allen Hauptumſtänden<lb/> wirklich ſo begeben im September des Jahres 1788.</p><lb/> <p>Die hebräiſche Schrift an dem Baume heißt:</p><lb/> <p>„Wenn du dich dieſem Orte naheſt, ſo wird<lb/> es dir ergehen, wie du mir gethan haſt.“</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <fw place="bottom" type="sig">15*</fw><lb/> </body> </text> </TEI> [227/0243]
ſehe nichts,“ ſagte Herr von S. — „Hierher müſſen
Sie treten, hierher, an dieſe Stelle!“ — Wirklich,
dem war ſo: der Gutsherr erkannte ſeine eigenen
abgetragenen Schuhe.
„Gott, es iſt Johannes! — Setzt die Leiter
an! — ſo — nun herunter! — ſacht, ſacht! laßt
ihn nicht fallen! — Lieber Himmel, die Würmer
ſind ſchon daran! Macht dennoch die Schlinge auf
und die Halsbinde.“ Eine breite Narbe ward ſicht-
bar; der Gutsherr fuhr zurück.
„Mein Gott!“ ſagte er; er beugte ſich wieder
über die Leiche, betrachtete die Narbe mit großer
Aufmerkſamkeit und ſchwieg eine Weile in tiefer
Erſchütterung.
Dann wandte er ſich zu dem Förſter: „Es
iſt nicht recht, daß der Unſchuldige für den Schul-
digen leide; ſage es nur allen Leuten: der da“ —
er deutete auf den Todten — „war Friedrich
Mergel.“
Die Leiche ward auf dem Schindanger ver-
ſcharrt.
Dies hat ſich nach allen Hauptumſtänden
wirklich ſo begeben im September des Jahres 1788.
Die hebräiſche Schrift an dem Baume heißt:
„Wenn du dich dieſem Orte naheſt, ſo wird
es dir ergehen, wie du mir gethan haſt.“
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