Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860."Du bist lange ausgeblieben, Johannes," sagte "Ich bin durch den Föhrengrund gegangen." "Das ist ja ein weiter Umweg; warum gingst Er sah trübe zu ihr auf: "Die Leute sagten Indessen nahte der September heran. Die „Du biſt lange ausgeblieben, Johannes,“ ſagte „Ich bin durch den Föhrengrund gegangen.“ „Das iſt ja ein weiter Umweg; warum gingſt Er ſah trübe zu ihr auf: „Die Leute ſagten Indeſſen nahte der September heran. Die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0238" n="222"/> <p>„Du biſt lange ausgeblieben, Johannes,“ ſagte<lb/> ſie; „ich dachte ſchon, du hätteſt dich im Brederholz<lb/> verirrt.“</p><lb/> <p>„Ich bin durch den Föhrengrund gegangen.“</p><lb/> <p>„Das iſt ja ein weiter Umweg; warum gingſt<lb/> du nicht durch’s Brederholz?“</p><lb/> <p>Er ſah trübe zu ihr auf: „Die Leute ſagten<lb/> mir, der Wald ſei gefällt, und jetzt ſeien ſo viele<lb/> Kreuz- und Querwege darin, da fürchtete ich, nicht<lb/> wieder hinauszukommen. Ich werde alt und du-<lb/> ſelig,“ fügte er langſam hinzu. — „Sahſt du wohl,“<lb/> ſagte Frau von S. nachher zu ihrem Manne, „wie<lb/> wunderlich und quer er aus den Augen ſah? Ich<lb/> ſage dir, Ernſt, das nimmt noch ein ſchlimmes<lb/> Ende.“</p><lb/> <p>Indeſſen nahte der September heran. Die<lb/> Felder waren leer, das Laub begann abzufallen und<lb/> mancher Hektiſche fühlte die Scheere an ſeinem Le-<lb/> bensfaden. Auch Johannes ſchien unter dem Ein-<lb/> fluſſe des nahen Aequinoctiums zu leiden; die ihn<lb/> in dieſen Tagen ſahen, ſagten, er habe auffallend<lb/> verſtört ausgeſehen und unaufhörlich leiſe mit ſich<lb/> ſelber geredet, was er auch ſonſt mitunter that, aber<lb/> ſelten. Endlich kam er eines Abends nicht nach<lb/> Hauſe. Man dachte, die Herrſchaft habe ihn ver-<lb/> ſchickt, am zweiten auch nicht, am dritten ward ſeine<lb/> Hausfrau ängſtlich. Sie ging in’s Schloß und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [222/0238]
„Du biſt lange ausgeblieben, Johannes,“ ſagte
ſie; „ich dachte ſchon, du hätteſt dich im Brederholz
verirrt.“
„Ich bin durch den Föhrengrund gegangen.“
„Das iſt ja ein weiter Umweg; warum gingſt
du nicht durch’s Brederholz?“
Er ſah trübe zu ihr auf: „Die Leute ſagten
mir, der Wald ſei gefällt, und jetzt ſeien ſo viele
Kreuz- und Querwege darin, da fürchtete ich, nicht
wieder hinauszukommen. Ich werde alt und du-
ſelig,“ fügte er langſam hinzu. — „Sahſt du wohl,“
ſagte Frau von S. nachher zu ihrem Manne, „wie
wunderlich und quer er aus den Augen ſah? Ich
ſage dir, Ernſt, das nimmt noch ein ſchlimmes
Ende.“
Indeſſen nahte der September heran. Die
Felder waren leer, das Laub begann abzufallen und
mancher Hektiſche fühlte die Scheere an ſeinem Le-
bensfaden. Auch Johannes ſchien unter dem Ein-
fluſſe des nahen Aequinoctiums zu leiden; die ihn
in dieſen Tagen ſahen, ſagten, er habe auffallend
verſtört ausgeſehen und unaufhörlich leiſe mit ſich
ſelber geredet, was er auch ſonſt mitunter that, aber
ſelten. Endlich kam er eines Abends nicht nach
Hauſe. Man dachte, die Herrſchaft habe ihn ver-
ſchickt, am zweiten auch nicht, am dritten ward ſeine
Hausfrau ängſtlich. Sie ging in’s Schloß und
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