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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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Er hatte zuletzt Bettelbrod gegessen und war
in einem fremden Schuppen auf dem Stroh ge-
storben. Margreth hatte länger gelebt, aber in
völliger Geistesstumpfheit.

Die Leute im Dorf waren es bald müde ge-
worden, ihr beizustehen, da sie alles verkommen
ließ, was man ihr gab, wie es denn die Art der
Menschen ist, gerade die Hülflosesten zu verlassen,
solche, bei denen der Beistand nicht nachhaltig wirkt
und die der Hülfe immer gleich bedürftig bleiben.
Dennoch hatte sie nicht eigentlich Noth gelitten;
die Gutsherrschaft sorgte sehr für sie, schickte ihr
täglich das Essen und ließ ihr auch ärztliche Be-
handlung zukommen, als ihr kümmerlicher Zustand
in völlige Abzehrung übergegangen war. In ihrem
Hause wohnte jetzt der Sohn des ehemaligen
Schweinehirten, der an jenem unglücklichen Abende
Friedrichs Uhr so sehr bewundert hatte. --

"Alles hin, Alles todt!" seufzte Johannes.

Am Abend, als es dunkel geworden war und
der Mond schien, sah man ihn im Schnee auf
dem Kirchhofe umherhumpeln; er betete bei keinem
Grabe, ging auch an keines dicht hinan, aber auf
einige schien er aus der Ferne starre Blicke zu
heften. So fand ihn der Förster Brandes, der
Sohn des Erschlagenen, den die Gutsherrschaft
abgeschickt hatte, ihn in's Schloß zu holen.

Er hatte zuletzt Bettelbrod gegeſſen und war
in einem fremden Schuppen auf dem Stroh ge-
ſtorben. Margreth hatte länger gelebt, aber in
völliger Geiſtesſtumpfheit.

Die Leute im Dorf waren es bald müde ge-
worden, ihr beizuſtehen, da ſie alles verkommen
ließ, was man ihr gab, wie es denn die Art der
Menſchen iſt, gerade die Hülfloſeſten zu verlaſſen,
ſolche, bei denen der Beiſtand nicht nachhaltig wirkt
und die der Hülfe immer gleich bedürftig bleiben.
Dennoch hatte ſie nicht eigentlich Noth gelitten;
die Gutsherrſchaft ſorgte ſehr für ſie, ſchickte ihr
täglich das Eſſen und ließ ihr auch ärztliche Be-
handlung zukommen, als ihr kümmerlicher Zuſtand
in völlige Abzehrung übergegangen war. In ihrem
Hauſe wohnte jetzt der Sohn des ehemaligen
Schweinehirten, der an jenem unglücklichen Abende
Friedrichs Uhr ſo ſehr bewundert hatte. —

„Alles hin, Alles todt!“ ſeufzte Johannes.

Am Abend, als es dunkel geworden war und
der Mond ſchien, ſah man ihn im Schnee auf
dem Kirchhofe umherhumpeln; er betete bei keinem
Grabe, ging auch an keines dicht hinan, aber auf
einige ſchien er aus der Ferne ſtarre Blicke zu
heften. So fand ihn der Förſter Brandes, der
Sohn des Erſchlagenen, den die Gutsherrſchaft
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[216/0232] Er hatte zuletzt Bettelbrod gegeſſen und war in einem fremden Schuppen auf dem Stroh ge- ſtorben. Margreth hatte länger gelebt, aber in völliger Geiſtesſtumpfheit. Die Leute im Dorf waren es bald müde ge- worden, ihr beizuſtehen, da ſie alles verkommen ließ, was man ihr gab, wie es denn die Art der Menſchen iſt, gerade die Hülfloſeſten zu verlaſſen, ſolche, bei denen der Beiſtand nicht nachhaltig wirkt und die der Hülfe immer gleich bedürftig bleiben. Dennoch hatte ſie nicht eigentlich Noth gelitten; die Gutsherrſchaft ſorgte ſehr für ſie, ſchickte ihr täglich das Eſſen und ließ ihr auch ärztliche Be- handlung zukommen, als ihr kümmerlicher Zuſtand in völlige Abzehrung übergegangen war. In ihrem Hauſe wohnte jetzt der Sohn des ehemaligen Schweinehirten, der an jenem unglücklichen Abende Friedrichs Uhr ſo ſehr bewundert hatte. — „Alles hin, Alles todt!“ ſeufzte Johannes. Am Abend, als es dunkel geworden war und der Mond ſchien, ſah man ihn im Schnee auf dem Kirchhofe umherhumpeln; er betete bei keinem Grabe, ging auch an keines dicht hinan, aber auf einige ſchien er aus der Ferne ſtarre Blicke zu heften. So fand ihn der Förſter Brandes, der Sohn des Erſchlagenen, den die Gutsherrſchaft abgeſchickt hatte, ihn in’s Schloß zu holen.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/232>, abgerufen am 23.11.2024.