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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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sehe wie andere Menschen. Das junge Volk hatte
zwar keine Erinnerungen von ihm, aber die Alten
fanden seine Züge noch ganz wohl heraus, so er-
bärmlich entstellt er auch war.

"Johannes, Johannes, was seid Ihr grau
geworden!" sagte eine alte Frau. "Und woher
habt Ihr den schiefen Hals?" -- "Vom Holz
und Wasser tragen in der Sklaverei," versetzte er.

"Und was ist aus Mergel geworden? Ihr
seid doch zusammen fortgelaufen?"

"Freilich wohl; aber ich weiß nicht, wo er ist,
wir sind von einander gekommen. Wenn Ihr an
ihn denkt, betet für ihn," fügte er hinzu, "er wird
es wohl nöthig haben."

Man fragte ihn, warum Friedrich sich denn
aus dem Staube gemacht, da er den Juden doch
nicht erschlagen? -- "Nicht?" sagte Johannes und
horchte gespannt auf, als man ihm erzählte, was
der Gutsherr geflissentlich verbreitet hatte, um den
Fleck von Mergels Namen zu löschen. -- "Also
ganz umsonst," sagte er nachdenkend, "ganz um-
sonst so viel ausgestanden!" Er seufzte tief und
fragte nun seinerseits nach Manchem. Simon war
lange todt, aber zuvor noch ganz verarmt, durch
Prozesse und böse Schuldner, die er nicht gerichtlich
belangen durfte, weil es, wie man sagte, zwischen
ihnen keine reine Sache war.

ſehe wie andere Menſchen. Das junge Volk hatte
zwar keine Erinnerungen von ihm, aber die Alten
fanden ſeine Züge noch ganz wohl heraus, ſo er-
bärmlich entſtellt er auch war.

„Johannes, Johannes, was ſeid Ihr grau
geworden!“ ſagte eine alte Frau. „Und woher
habt Ihr den ſchiefen Hals?“ — „Vom Holz
und Waſſer tragen in der Sklaverei,“ verſetzte er.

„Und was iſt aus Mergel geworden? Ihr
ſeid doch zuſammen fortgelaufen?“

„Freilich wohl; aber ich weiß nicht, wo er iſt,
wir ſind von einander gekommen. Wenn Ihr an
ihn denkt, betet für ihn,“ fügte er hinzu, „er wird
es wohl nöthig haben.“

Man fragte ihn, warum Friedrich ſich denn
aus dem Staube gemacht, da er den Juden doch
nicht erſchlagen? — „Nicht?“ ſagte Johannes und
horchte geſpannt auf, als man ihm erzählte, was
der Gutsherr gefliſſentlich verbreitet hatte, um den
Fleck von Mergels Namen zu löſchen. — „Alſo
ganz umſonſt,“ ſagte er nachdenkend, „ganz um-
ſonſt ſo viel ausgeſtanden!“ Er ſeufzte tief und
fragte nun ſeinerſeits nach Manchem. Simon war
lange todt, aber zuvor noch ganz verarmt, durch
Prozeſſe und böſe Schuldner, die er nicht gerichtlich
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ihnen keine reine Sache war.

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[215/0231] ſehe wie andere Menſchen. Das junge Volk hatte zwar keine Erinnerungen von ihm, aber die Alten fanden ſeine Züge noch ganz wohl heraus, ſo er- bärmlich entſtellt er auch war. „Johannes, Johannes, was ſeid Ihr grau geworden!“ ſagte eine alte Frau. „Und woher habt Ihr den ſchiefen Hals?“ — „Vom Holz und Waſſer tragen in der Sklaverei,“ verſetzte er. „Und was iſt aus Mergel geworden? Ihr ſeid doch zuſammen fortgelaufen?“ „Freilich wohl; aber ich weiß nicht, wo er iſt, wir ſind von einander gekommen. Wenn Ihr an ihn denkt, betet für ihn,“ fügte er hinzu, „er wird es wohl nöthig haben.“ Man fragte ihn, warum Friedrich ſich denn aus dem Staube gemacht, da er den Juden doch nicht erſchlagen? — „Nicht?“ ſagte Johannes und horchte geſpannt auf, als man ihm erzählte, was der Gutsherr gefliſſentlich verbreitet hatte, um den Fleck von Mergels Namen zu löſchen. — „Alſo ganz umſonſt,“ ſagte er nachdenkend, „ganz um- ſonſt ſo viel ausgeſtanden!“ Er ſeufzte tief und fragte nun ſeinerſeits nach Manchem. Simon war lange todt, aber zuvor noch ganz verarmt, durch Prozeſſe und böſe Schuldner, die er nicht gerichtlich belangen durfte, weil es, wie man ſagte, zwiſchen ihnen keine reine Sache war.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/231>, abgerufen am 27.11.2024.