Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.hinter die Baßviole zu flüchten; doch zuvor noch ein "Eine prächtige Uhr!" sagte der Schweinehirt "Was hat sie gekostet?" rief Wilm Hüls- Die Gutsherrschaft war indessen in die Kammer hinter die Baßviole zu flüchten; doch zuvor noch ein „Eine prächtige Uhr!“ ſagte der Schweinehirt „Was hat ſie gekoſtet?“ rief Wilm Hüls- Die Gutsherrſchaft war indeſſen in die Kammer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0214" n="198"/> hinter die Baßviole zu flüchten; doch zuvor noch ein<lb/> Knalleffekt: er zog ſeine ſilberne Taſchenuhr hervor,<lb/> zu jener Zeit ein ſeltener und koſtbarer Schmuck.<lb/> „Es iſt bald zehn,“ ſagte er. „Jetzt den Braut-<lb/> menuet! ich will Muſik machen.“</p><lb/> <p>„Eine prächtige Uhr!“ ſagte der Schweinehirt<lb/> und ſchob ſein Geſicht in ehrfurchtsvoller Neu-<lb/> gier vor.</p><lb/> <p>„Was hat ſie gekoſtet?“ rief Wilm Hüls-<lb/> meyer, Friedrichs Nebenbuhler. — „Willſt du ſie<lb/> bezahlen?“ fragte Friedrich. — „Haſt du ſie be-<lb/> zahlt?“ antwortete Wilm. Friedrich warf einen<lb/> ſtolzen Blick auf ihn und griff in ſchweigender Ma-<lb/> jeſtät zum Fidelbogen. — „Nun, nun,“ ſagte<lb/> Hülsmeyer, „dergleichen hat man erlebt. Du weißt<lb/> wohl, der Franz Ebel hatte auch eine ſchöne Uhr,<lb/> bis der Jude Aaron ſie ihm wieder abnahm.“ —<lb/> Friedrich antwortete nicht, ſondern winkte ſtolz der<lb/> erſten Violine, und ſie begannen aus Leibeskräften<lb/> zu ſtreichen.</p><lb/> <p>Die Gutsherrſchaft war indeſſen in die Kammer<lb/> getreten, wo der Braut von den Nachbarfrauen das<lb/> Zeichen ihres neuen Standes, die weiße Stirnbinde,<lb/> umgelegt wurde. Das junge Blut weinte ſehr,<lb/> theils weil es die Sitte ſo wollte, theils aus wahrer<lb/> Beklemmung. Sie ſollte einem verworrenen Haus-<lb/> halt vorſtehen, unter den Augen eines mürriſchen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [198/0214]
hinter die Baßviole zu flüchten; doch zuvor noch ein
Knalleffekt: er zog ſeine ſilberne Taſchenuhr hervor,
zu jener Zeit ein ſeltener und koſtbarer Schmuck.
„Es iſt bald zehn,“ ſagte er. „Jetzt den Braut-
menuet! ich will Muſik machen.“
„Eine prächtige Uhr!“ ſagte der Schweinehirt
und ſchob ſein Geſicht in ehrfurchtsvoller Neu-
gier vor.
„Was hat ſie gekoſtet?“ rief Wilm Hüls-
meyer, Friedrichs Nebenbuhler. — „Willſt du ſie
bezahlen?“ fragte Friedrich. — „Haſt du ſie be-
zahlt?“ antwortete Wilm. Friedrich warf einen
ſtolzen Blick auf ihn und griff in ſchweigender Ma-
jeſtät zum Fidelbogen. — „Nun, nun,“ ſagte
Hülsmeyer, „dergleichen hat man erlebt. Du weißt
wohl, der Franz Ebel hatte auch eine ſchöne Uhr,
bis der Jude Aaron ſie ihm wieder abnahm.“ —
Friedrich antwortete nicht, ſondern winkte ſtolz der
erſten Violine, und ſie begannen aus Leibeskräften
zu ſtreichen.
Die Gutsherrſchaft war indeſſen in die Kammer
getreten, wo der Braut von den Nachbarfrauen das
Zeichen ihres neuen Standes, die weiße Stirnbinde,
umgelegt wurde. Das junge Blut weinte ſehr,
theils weil es die Sitte ſo wollte, theils aus wahrer
Beklemmung. Sie ſollte einem verworrenen Haus-
halt vorſtehen, unter den Augen eines mürriſchen
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