zwischen die Schultern ziehend und mit aller Macht nach dem Ausgange strebend. -- "Was ist's? was habt ihr mit unserm Johannes?" rief Friedrich gebieterisch.
"Das sollt Ihr früh genug gewahr werden," keuchte ein altes Weib mit der Küchenschürze und einem Wischhader in der Hand. -- Schande! Jo- hannes, der arme Teufel, dem zu Hause das Schlech- teste gut genug sein mußte, hatte versucht, sich ein halbes Pfündchen Butter für die kommende Dürre zu sichern, und ohne daran zu denken, daß er es, sauber in sein Schnupftuch gewickelt, in der Tasche geborgen, war er an's Küchenfeuer getreten und nun rann das Fett schmählich die Rockschöße entlang.
Allgemeiner Aufruhr; die Mädchen sprangen zu- rück, aus Furcht, sich zu beschmutzen, oder stießen den Delinquenten vorwärts. Andere machten Platz, so- wohl aus Mitleid als Vorsicht. Aber Friedrich trat vor: "Lumpenhund!" rief er; ein paar derbe Maul- schellen trafen den geduldigen Schützling; dann stieß er ihn an die Thür und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt mit auf den Weg. Er kehrte niederge- schlagen zurück; seine Würde war verletzt, das all- gemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele, ob er sich gleich durch einen tapfern Juchheschrei wieder in den Gang zu bringen suchte -- es wollte nicht mehr recht gehen. Er war im Begriff, sich wieder
zwiſchen die Schultern ziehend und mit aller Macht nach dem Ausgange ſtrebend. — „Was iſt’s? was habt ihr mit unſerm Johannes?“ rief Friedrich gebieteriſch.
„Das ſollt Ihr früh genug gewahr werden,“ keuchte ein altes Weib mit der Küchenſchürze und einem Wiſchhader in der Hand. — Schande! Jo- hannes, der arme Teufel, dem zu Hauſe das Schlech- teſte gut genug ſein mußte, hatte verſucht, ſich ein halbes Pfündchen Butter für die kommende Dürre zu ſichern, und ohne daran zu denken, daß er es, ſauber in ſein Schnupftuch gewickelt, in der Taſche geborgen, war er an’s Küchenfeuer getreten und nun rann das Fett ſchmählich die Rockſchöße entlang.
Allgemeiner Aufruhr; die Mädchen ſprangen zu- rück, aus Furcht, ſich zu beſchmutzen, oder ſtießen den Delinquenten vorwärts. Andere machten Platz, ſo- wohl aus Mitleid als Vorſicht. Aber Friedrich trat vor: „Lumpenhund!“ rief er; ein paar derbe Maul- ſchellen trafen den geduldigen Schützling; dann ſtieß er ihn an die Thür und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt mit auf den Weg. Er kehrte niederge- ſchlagen zurück; ſeine Würde war verletzt, das all- gemeine Gelächter ſchnitt ihm durch die Seele, ob er ſich gleich durch einen tapfern Juchheſchrei wieder in den Gang zu bringen ſuchte — es wollte nicht mehr recht gehen. Er war im Begriff, ſich wieder
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zwiſchen die Schultern ziehend und mit aller Macht
nach dem Ausgange ſtrebend. — „Was iſt’s? was
habt ihr mit unſerm Johannes?“ rief Friedrich
gebieteriſch.
„Das ſollt Ihr früh genug gewahr werden,“
keuchte ein altes Weib mit der Küchenſchürze und
einem Wiſchhader in der Hand. — Schande! Jo-
hannes, der arme Teufel, dem zu Hauſe das Schlech-
teſte gut genug ſein mußte, hatte verſucht, ſich ein
halbes Pfündchen Butter für die kommende Dürre
zu ſichern, und ohne daran zu denken, daß er es,
ſauber in ſein Schnupftuch gewickelt, in der Taſche
geborgen, war er an’s Küchenfeuer getreten und nun
rann das Fett ſchmählich die Rockſchöße entlang.
Allgemeiner Aufruhr; die Mädchen ſprangen zu-
rück, aus Furcht, ſich zu beſchmutzen, oder ſtießen den
Delinquenten vorwärts. Andere machten Platz, ſo-
wohl aus Mitleid als Vorſicht. Aber Friedrich trat
vor: „Lumpenhund!“ rief er; ein paar derbe Maul-
ſchellen trafen den geduldigen Schützling; dann ſtieß
er ihn an die Thür und gab ihm einen tüchtigen
Fußtritt mit auf den Weg. Er kehrte niederge-
ſchlagen zurück; ſeine Würde war verletzt, das all-
gemeine Gelächter ſchnitt ihm durch die Seele, ob
er ſich gleich durch einen tapfern Juchheſchrei wieder
in den Gang zu bringen ſuchte — es wollte nicht
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/213>, abgerufen am 17.07.2024.
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