Willen zu erkennen und trat zu den Tanzenden. "Nun lustig, Musikanten: den Papen van Istrup!" Der beliebte Tanz ward gespielt und Friedrich machte Sätze vor den Augen seiner Herrschaft, daß die Kühe an der Tenne die Hörner zurückzogen und Kettengeklirr und Gebrumme an ihren Ständern herlief. Fußhoch über die Andern tauchte sein blonder Kopf auf und nieder, wie ein Hecht, der sich im Wasser überschlägt; an allen Enden schrieen Mäd- chen auf, denen er zum Zeichen der Huldigung mit einer raschen Kopfbewegung sein langes Flachshaar in's Gesicht schleuderte.
"Jetzt ist es gut!" sagte er endlich und trat schweißtriefend an den Kredenztisch; "die gnädigen Herrschaften sollen leben und alle die hochadeligen Prinzen und Prinzessinnen, und wer's nicht mit- trinkt, den will ich an die Ohren schlagen, daß er die Engel singen hört!" Ein lautes Vivat beant- wortete den galanten Toast. -- Friedrich machte seinen Bückling. -- "Nichts für ungut, gnädige Herrschaften; wir sind nur ungelehrte Bauers- leute!"
In diesem Augenblick erhob sich ein Getümmel am Ende der Tenne, Geschrei, Schelten, Gelächter, alles durcheinander. "Butterdieb, Butterdieb!" riefen ein paar Kinder, und heran drängte sich, oder viel- mehr ward geschoben, Johannes Niemand, den Kopf
Willen zu erkennen und trat zu den Tanzenden. „Nun luſtig, Muſikanten: den Papen van Iſtrup!“ Der beliebte Tanz ward geſpielt und Friedrich machte Sätze vor den Augen ſeiner Herrſchaft, daß die Kühe an der Tenne die Hörner zurückzogen und Kettengeklirr und Gebrumme an ihren Ständern herlief. Fußhoch über die Andern tauchte ſein blonder Kopf auf und nieder, wie ein Hecht, der ſich im Waſſer überſchlägt; an allen Enden ſchrieen Mäd- chen auf, denen er zum Zeichen der Huldigung mit einer raſchen Kopfbewegung ſein langes Flachshaar in’s Geſicht ſchleuderte.
„Jetzt iſt es gut!“ ſagte er endlich und trat ſchweißtriefend an den Kredenztiſch; „die gnädigen Herrſchaften ſollen leben und alle die hochadeligen Prinzen und Prinzeſſinnen, und wer’s nicht mit- trinkt, den will ich an die Ohren ſchlagen, daß er die Engel ſingen hört!“ Ein lautes Vivat beant- wortete den galanten Toaſt. — Friedrich machte ſeinen Bückling. — „Nichts für ungut, gnädige Herrſchaften; wir ſind nur ungelehrte Bauers- leute!“
In dieſem Augenblick erhob ſich ein Getümmel am Ende der Tenne, Geſchrei, Schelten, Gelächter, alles durcheinander. „Butterdieb, Butterdieb!“ riefen ein paar Kinder, und heran drängte ſich, oder viel- mehr ward geſchoben, Johannes Niemand, den Kopf
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Willen zu erkennen und trat zu den Tanzenden.
„Nun luſtig, Muſikanten: den Papen van Iſtrup!“
Der beliebte Tanz ward geſpielt und Friedrich
machte Sätze vor den Augen ſeiner Herrſchaft, daß
die Kühe an der Tenne die Hörner zurückzogen und
Kettengeklirr und Gebrumme an ihren Ständern
herlief. Fußhoch über die Andern tauchte ſein blonder
Kopf auf und nieder, wie ein Hecht, der ſich im
Waſſer überſchlägt; an allen Enden ſchrieen Mäd-
chen auf, denen er zum Zeichen der Huldigung mit
einer raſchen Kopfbewegung ſein langes Flachshaar
in’s Geſicht ſchleuderte.
„Jetzt iſt es gut!“ ſagte er endlich und trat
ſchweißtriefend an den Kredenztiſch; „die gnädigen
Herrſchaften ſollen leben und alle die hochadeligen
Prinzen und Prinzeſſinnen, und wer’s nicht mit-
trinkt, den will ich an die Ohren ſchlagen, daß er
die Engel ſingen hört!“ Ein lautes Vivat beant-
wortete den galanten Toaſt. — Friedrich machte
ſeinen Bückling. — „Nichts für ungut, gnädige
Herrſchaften; wir ſind nur ungelehrte Bauers-
leute!“
In dieſem Augenblick erhob ſich ein Getümmel
am Ende der Tenne, Geſchrei, Schelten, Gelächter,
alles durcheinander. „Butterdieb, Butterdieb!“ riefen
ein paar Kinder, und heran drängte ſich, oder viel-
mehr ward geſchoben, Johannes Niemand, den Kopf
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/212>, abgerufen am 17.07.2024.
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