bude. Da viele Auswärtige erwartet wurden, wollte Jeder gern die Ehre des Dorfes oben halten.
Es war 7 Uhr Abends und Alles in vollem Gange; Jubel und Gelächter an allen Enden, die niedern Stuben zum Ersticken angefüllt mit blauen, rothen und gelben Gestalten, gleich Pfandställen, in denen eine zu große Heerde eingepfercht ist. Auf der Tenne ward getanzt, das heißt, wer zwei Fuß Raum erobert hatte, drehte sich darauf immer rund um und suchte durch Jauchzen zu ersetzen, was an Bewegung fehlte. Das Orchester war glänzend, die erste Geige als anerkannte Künstlerin prädominirt die zweite und eine große Baßviole mit drei Saiten von Dilettanten ad libitum gestrichen; Branntwein und Kaffee im Ueberflusse, alle Gäste von Schweiß triefend; kurz, es war ein köstliches Fest.
Friedrich stolzirte umher wie ein Hahn, im neuen himmelblauen Rock, und machte sein Recht als erster Elegant geltend. Als auch die Gutsherr- schaft anlangte, saß er gerade hinter der Baßgeige und strich die tiefste Saite mit großer Kraft und vielem Anstand.
"Johannes!" rief er gebieterisch, und heran trat sein Schützling von dem Tanzplatze, wo er auch seine ungelenken Beine zu schlenkern und eins zu jauchzen versucht hatte. Friedrich reichte ihm den Bogen, gab durch eine stolze Kopfbewegung seinen
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bude. Da viele Auswärtige erwartet wurden, wollte Jeder gern die Ehre des Dorfes oben halten.
Es war 7 Uhr Abends und Alles in vollem Gange; Jubel und Gelächter an allen Enden, die niedern Stuben zum Erſticken angefüllt mit blauen, rothen und gelben Geſtalten, gleich Pfandſtällen, in denen eine zu große Heerde eingepfercht iſt. Auf der Tenne ward getanzt, das heißt, wer zwei Fuß Raum erobert hatte, drehte ſich darauf immer rund um und ſuchte durch Jauchzen zu erſetzen, was an Bewegung fehlte. Das Orcheſter war glänzend, die erſte Geige als anerkannte Künſtlerin prädominirt die zweite und eine große Baßviole mit drei Saiten von Dilettanten ad libitum geſtrichen; Branntwein und Kaffee im Ueberfluſſe, alle Gäſte von Schweiß triefend; kurz, es war ein köſtliches Feſt.
Friedrich ſtolzirte umher wie ein Hahn, im neuen himmelblauen Rock, und machte ſein Recht als erſter Elegant geltend. Als auch die Gutsherr- ſchaft anlangte, ſaß er gerade hinter der Baßgeige und ſtrich die tiefſte Saite mit großer Kraft und vielem Anſtand.
„Johannes!“ rief er gebieteriſch, und heran trat ſein Schützling von dem Tanzplatze, wo er auch ſeine ungelenken Beine zu ſchlenkern und eins zu jauchzen verſucht hatte. Friedrich reichte ihm den Bogen, gab durch eine ſtolze Kopfbewegung ſeinen
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bude. Da viele Auswärtige erwartet wurden, wollte
Jeder gern die Ehre des Dorfes oben halten.
Es war 7 Uhr Abends und Alles in vollem
Gange; Jubel und Gelächter an allen Enden, die
niedern Stuben zum Erſticken angefüllt mit blauen,
rothen und gelben Geſtalten, gleich Pfandſtällen, in
denen eine zu große Heerde eingepfercht iſt. Auf
der Tenne ward getanzt, das heißt, wer zwei Fuß
Raum erobert hatte, drehte ſich darauf immer rund
um und ſuchte durch Jauchzen zu erſetzen, was an
Bewegung fehlte. Das Orcheſter war glänzend, die
erſte Geige als anerkannte Künſtlerin prädominirt
die zweite und eine große Baßviole mit drei Saiten
von Dilettanten ad libitum geſtrichen; Branntwein
und Kaffee im Ueberfluſſe, alle Gäſte von Schweiß
triefend; kurz, es war ein köſtliches Feſt.
Friedrich ſtolzirte umher wie ein Hahn, im
neuen himmelblauen Rock, und machte ſein Recht
als erſter Elegant geltend. Als auch die Gutsherr-
ſchaft anlangte, ſaß er gerade hinter der Baßgeige
und ſtrich die tiefſte Saite mit großer Kraft und
vielem Anſtand.
„Johannes!“ rief er gebieteriſch, und heran
trat ſein Schützling von dem Tanzplatze, wo er
auch ſeine ungelenken Beine zu ſchlenkern und eins
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/211>, abgerufen am 17.07.2024.
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