das gleich meint das Haus brenne, wenn ihr Feuer- topf raucht. Sieh," fuhr er fort, "wenn ich mehr von der Geschichte weiß, als der Thürpfosten da, so will ich ewig nicht selig werden. Längst war ich zu Haus," fügte er hinzu. -- Friedrich stand be- klemmt und zweifelnd. Er hätte viel darum ge- geben, seines Ohms Gesicht sehen zu können. Aber während sie flüsterten, hatte der Himmel sich bewölkt.
"Ich habe schwere Schuld," seufzte Friedrich, "daß ich ihn den unrechten Weg geschickt -- ob- gleich -- doch, dies hab ich nicht gedacht, nein, gewiß nicht. Ohm, ich habe Euch ein schweres Ge- wissen zu danken." -- "So geh, beicht!" flüsterte Simon mit bebender Stimme; "verunehre das Sa- crament durch Angeberei und setze armen Leuten einen Spion auf den Hals, der schon Wege finden wird, ihnen das Stückchen Brod aus den Zähnen zu reißen, wenn er gleich nicht reden darf -- geh!"
Friedrich stand unschlüssig; er hörte ein leises Geräusch; die Wolken verzogen sich, das Mondlicht fiel wieder auf die Kammerthür: sie war geschlossen. Friedrich ging an diesem Morgen nicht zur Beichte.
Der Eindruck, den dieser Vorfall auf Friedrich gemacht, erlosch leider nur zu bald. Wer zweifelt daran, daß Simon Alles that, seinen Adoptivsohn dieselben Wege zu leiten, die er selber ging? Und in Friedrich lagen Eigenschaften, die dies nur zu
das gleich meint das Haus brenne, wenn ihr Feuer- topf raucht. Sieh,“ fuhr er fort, „wenn ich mehr von der Geſchichte weiß, als der Thürpfoſten da, ſo will ich ewig nicht ſelig werden. Längſt war ich zu Haus,“ fügte er hinzu. — Friedrich ſtand be- klemmt und zweifelnd. Er hätte viel darum ge- geben, ſeines Ohms Geſicht ſehen zu können. Aber während ſie flüſterten, hatte der Himmel ſich bewölkt.
„Ich habe ſchwere Schuld,“ ſeufzte Friedrich, „daß ich ihn den unrechten Weg geſchickt — ob- gleich — doch, dies hab ich nicht gedacht, nein, gewiß nicht. Ohm, ich habe Euch ein ſchweres Ge- wiſſen zu danken.“ — „So geh, beicht!“ flüſterte Simon mit bebender Stimme; „verunehre das Sa- crament durch Angeberei und ſetze armen Leuten einen Spion auf den Hals, der ſchon Wege finden wird, ihnen das Stückchen Brod aus den Zähnen zu reißen, wenn er gleich nicht reden darf — geh!“
Friedrich ſtand unſchlüſſig; er hörte ein leiſes Geräuſch; die Wolken verzogen ſich, das Mondlicht fiel wieder auf die Kammerthür: ſie war geſchloſſen. Friedrich ging an dieſem Morgen nicht zur Beichte.
Der Eindruck, den dieſer Vorfall auf Friedrich gemacht, erloſch leider nur zu bald. Wer zweifelt daran, daß Simon Alles that, ſeinen Adoptivſohn dieſelben Wege zu leiten, die er ſelber ging? Und in Friedrich lagen Eigenſchaften, die dies nur zu
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das gleich meint das Haus brenne, wenn ihr Feuer-
topf raucht. Sieh,“ fuhr er fort, „wenn ich mehr
von der Geſchichte weiß, als der Thürpfoſten da,
ſo will ich ewig nicht ſelig werden. Längſt war ich
zu Haus,“ fügte er hinzu. — Friedrich ſtand be-
klemmt und zweifelnd. Er hätte viel darum ge-
geben, ſeines Ohms Geſicht ſehen zu können. Aber
während ſie flüſterten, hatte der Himmel ſich bewölkt.
„Ich habe ſchwere Schuld,“ ſeufzte Friedrich,
„daß ich ihn den unrechten Weg geſchickt — ob-
gleich — doch, dies hab ich nicht gedacht, nein,
gewiß nicht. Ohm, ich habe Euch ein ſchweres Ge-
wiſſen zu danken.“ — „So geh, beicht!“ flüſterte
Simon mit bebender Stimme; „verunehre das Sa-
crament durch Angeberei und ſetze armen Leuten
einen Spion auf den Hals, der ſchon Wege finden
wird, ihnen das Stückchen Brod aus den Zähnen
zu reißen, wenn er gleich nicht reden darf — geh!“
Friedrich ſtand unſchlüſſig; er hörte ein leiſes
Geräuſch; die Wolken verzogen ſich, das Mondlicht
fiel wieder auf die Kammerthür: ſie war geſchloſſen.
Friedrich ging an dieſem Morgen nicht zur Beichte.
Der Eindruck, den dieſer Vorfall auf Friedrich
gemacht, erloſch leider nur zu bald. Wer zweifelt
daran, daß Simon Alles that, ſeinen Adoptivſohn
dieſelben Wege zu leiten, die er ſelber ging? Und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/208>, abgerufen am 17.07.2024.
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