redet und aus der dieser seine Heerde schon zehn Minuten später in's Dorf getrieben. Jedermann hatte dies gesehen; alle anwesenden Bauern be- eiferten sich, es zu bezeugen; mit diesem hatte er geredet, jenem zugenickt.
Der Gerichtsschreiber saß unmuthig und ver- legen da. Plötzlich fuhr er mit der Hand hinter sich und brachte etwas Blinkendes vor Friedrichs Auge. "Wem gehört dies?" -- Friedrich sprang drei Schritt zurück. "Herr Jesus! ich dachte Ihr wolltet mir den Schädel einschlagen." Seine Augen waren rasch über das tödtliche Werkzeug gefahren und schienen momentan auf einem ausgebrochenen Splitter am Stiele zu haften. "Ich weiß es nicht," sagte er fest. -- Es war die Axt, die man in dem Schädel des Oberförsters eingeklammert gefunden hatte. -- "Sieh sie genau an," fuhr der Gerichts- schreiber fort. Friedrich faßte sie mit der Hand, besah sie oben, unten, wandte sie um. "Es ist eine Axt wie andere," sagte er dann und legte sie gleichgültig auf den Tisch. Ein Blutfleck ward sichtbar; er schien zu schaudern, aber er wiederholte noch einmal sehr bestimmt: "Ich kenne sie nicht." Der Gerichtsschreiber seufzte vor Unmuth. Er selbst wußte um nichts mehr, und hatte nur einen Ver- such zu möglicher Entdeckung durch Ueberraschung
redet und aus der dieſer ſeine Heerde ſchon zehn Minuten ſpäter in’s Dorf getrieben. Jedermann hatte dies geſehen; alle anweſenden Bauern be- eiferten ſich, es zu bezeugen; mit dieſem hatte er geredet, jenem zugenickt.
Der Gerichtsſchreiber ſaß unmuthig und ver- legen da. Plötzlich fuhr er mit der Hand hinter ſich und brachte etwas Blinkendes vor Friedrichs Auge. „Wem gehört dies?“ — Friedrich ſprang drei Schritt zurück. „Herr Jeſus! ich dachte Ihr wolltet mir den Schädel einſchlagen.“ Seine Augen waren raſch über das tödtliche Werkzeug gefahren und ſchienen momentan auf einem ausgebrochenen Splitter am Stiele zu haften. „Ich weiß es nicht,“ ſagte er feſt. — Es war die Axt, die man in dem Schädel des Oberförſters eingeklammert gefunden hatte. — „Sieh ſie genau an,“ fuhr der Gerichts- ſchreiber fort. Friedrich faßte ſie mit der Hand, beſah ſie oben, unten, wandte ſie um. „Es iſt eine Axt wie andere,“ ſagte er dann und legte ſie gleichgültig auf den Tiſch. Ein Blutfleck ward ſichtbar; er ſchien zu ſchaudern, aber er wiederholte noch einmal ſehr beſtimmt: „Ich kenne ſie nicht.“ Der Gerichtsſchreiber ſeufzte vor Unmuth. Er ſelbſt wußte um nichts mehr, und hatte nur einen Ver- ſuch zu möglicher Entdeckung durch Ueberraſchung
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redet und aus der dieſer ſeine Heerde ſchon zehn
Minuten ſpäter in’s Dorf getrieben. Jedermann
hatte dies geſehen; alle anweſenden Bauern be-
eiferten ſich, es zu bezeugen; mit dieſem hatte er
geredet, jenem zugenickt.
Der Gerichtsſchreiber ſaß unmuthig und ver-
legen da. Plötzlich fuhr er mit der Hand hinter
ſich und brachte etwas Blinkendes vor Friedrichs
Auge. „Wem gehört dies?“ — Friedrich ſprang
drei Schritt zurück. „Herr Jeſus! ich dachte Ihr
wolltet mir den Schädel einſchlagen.“ Seine Augen
waren raſch über das tödtliche Werkzeug gefahren
und ſchienen momentan auf einem ausgebrochenen
Splitter am Stiele zu haften. „Ich weiß es nicht,“
ſagte er feſt. — Es war die Axt, die man in dem
Schädel des Oberförſters eingeklammert gefunden
hatte. — „Sieh ſie genau an,“ fuhr der Gerichts-
ſchreiber fort. Friedrich faßte ſie mit der Hand,
beſah ſie oben, unten, wandte ſie um. „Es iſt
eine Axt wie andere,“ ſagte er dann und legte ſie
gleichgültig auf den Tiſch. Ein Blutfleck ward
ſichtbar; er ſchien zu ſchaudern, aber er wiederholte
noch einmal ſehr beſtimmt: „Ich kenne ſie nicht.“
Der Gerichtsſchreiber ſeufzte vor Unmuth. Er ſelbſt
wußte um nichts mehr, und hatte nur einen Ver-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/205>, abgerufen am 27.11.2024.
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