soll deine Mutter, die alte Hexe, keine verschimmelte Brodrinde bekommen. Aber vorher sollt ihr mir noch Beide in's Hundeloch." Friedrich griff krampf- haft nach einem Aste. Er war todtenbleich und seine Augen schienen wie Krystallkugeln aus dem Kopfe schießen zu wollen. Doch nur einen Augen- blick. Dann kehrte die größte, an Erschlaffung grenzende Ruhe zurück. "Herr," sagte er fest, mit fast sanfter Stimme, "Ihr habt gesagt, was Ihr nicht verantworten könnt, und ich vielleicht auch. Wir wollen es gegen einander aufgehen lassen, und nun will ich Euch sagen, was Ihr verlangt. Wenn Ihr die Holzfäller nicht selbst bestellt habt, so müssen es die Blaukittel sein; denn aus dem Dorfe ist kein Wagen gekommen; ich habe den Weg ja vor mir, und vier Wagen sind es. Ich habe sie nicht gesehen, aber den Hohlweg hinauffahren hören." Er stockte einen Augenblick. --
"Könnt Ihr sagen, daß ich je einen Baum in Eurem Revier gefällt habe? überhaupt, daß ich je anderwärts gehauen habe, als auf Bestellung? Denkt nach, ob Ihr das sagen könnt?"
Ein verlegenes Murmeln war die ganze Ant- wort des Försters, der nach Art der meisten rauhen Menschen leicht bereute. Er wandte sich unwirsch und schritt dem Gebüsche zu. -- "Nein Herr," rief Friedrich, "wenn Ihr zu den andern Förstern
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ſoll deine Mutter, die alte Hexe, keine verſchimmelte Brodrinde bekommen. Aber vorher ſollt ihr mir noch Beide in’s Hundeloch.“ Friedrich griff krampf- haft nach einem Aſte. Er war todtenbleich und ſeine Augen ſchienen wie Kryſtallkugeln aus dem Kopfe ſchießen zu wollen. Doch nur einen Augen- blick. Dann kehrte die größte, an Erſchlaffung grenzende Ruhe zurück. „Herr,“ ſagte er feſt, mit faſt ſanfter Stimme, „Ihr habt geſagt, was Ihr nicht verantworten könnt, und ich vielleicht auch. Wir wollen es gegen einander aufgehen laſſen, und nun will ich Euch ſagen, was Ihr verlangt. Wenn Ihr die Holzfäller nicht ſelbſt beſtellt habt, ſo müſſen es die Blaukittel ſein; denn aus dem Dorfe iſt kein Wagen gekommen; ich habe den Weg ja vor mir, und vier Wagen ſind es. Ich habe ſie nicht geſehen, aber den Hohlweg hinauffahren hören.“ Er ſtockte einen Augenblick. —
„Könnt Ihr ſagen, daß ich je einen Baum in Eurem Revier gefällt habe? überhaupt, daß ich je anderwärts gehauen habe, als auf Beſtellung? Denkt nach, ob Ihr das ſagen könnt?“
Ein verlegenes Murmeln war die ganze Ant- wort des Förſters, der nach Art der meiſten rauhen Menſchen leicht bereute. Er wandte ſich unwirſch und ſchritt dem Gebüſche zu. — „Nein Herr,“ rief Friedrich, „wenn Ihr zu den andern Förſtern
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ſoll deine Mutter, die alte Hexe, keine verſchimmelte
Brodrinde bekommen. Aber vorher ſollt ihr mir
noch Beide in’s Hundeloch.“ Friedrich griff krampf-
haft nach einem Aſte. Er war todtenbleich und
ſeine Augen ſchienen wie Kryſtallkugeln aus dem
Kopfe ſchießen zu wollen. Doch nur einen Augen-
blick. Dann kehrte die größte, an Erſchlaffung
grenzende Ruhe zurück. „Herr,“ ſagte er feſt, mit
faſt ſanfter Stimme, „Ihr habt geſagt, was Ihr
nicht verantworten könnt, und ich vielleicht auch.
Wir wollen es gegen einander aufgehen laſſen, und
nun will ich Euch ſagen, was Ihr verlangt. Wenn
Ihr die Holzfäller nicht ſelbſt beſtellt habt, ſo
müſſen es die Blaukittel ſein; denn aus dem Dorfe
iſt kein Wagen gekommen; ich habe den Weg ja
vor mir, und vier Wagen ſind es. Ich habe ſie
nicht geſehen, aber den Hohlweg hinauffahren hören.“
Er ſtockte einen Augenblick. —
„Könnt Ihr ſagen, daß ich je einen Baum
in Eurem Revier gefällt habe? überhaupt, daß ich
je anderwärts gehauen habe, als auf Beſtellung?
Denkt nach, ob Ihr das ſagen könnt?“
Ein verlegenes Murmeln war die ganze Ant-
wort des Förſters, der nach Art der meiſten rauhen
Menſchen leicht bereute. Er wandte ſich unwirſch
und ſchritt dem Gebüſche zu. — „Nein Herr,“
rief Friedrich, „wenn Ihr zu den andern Förſtern
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/195>, abgerufen am 16.07.2024.
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