-- "Ich will ja nur Holz holen aus dem Schup- pen," antwortete Friedrich. -- Als beide Knaben fort waren, warf sich Margreth auf einen Stuhl und schlug die Hände mit dem Ausdruck des tiefsten Jammers zusammen. Ihr Gesicht war bleich wie ein Tuch. "Ein falscher Eid, ein falscher Eid!" stöhnte sie. "Was ist's? Simon, Simon, wie willst du vor Gott bestehen!"
So saß sie eine Weile, starr mit geklemmten Lippen, wie in völliger Geistesabwesenheit. Friedrich stand vor ihr und hatte sie schon zweimal angeredet. "Was ist's? was willst du?" rief sie auffahrend. -- "Ich bringe Euch Geld," sagte er, mehr erstaunt als erschreckt. -- "Geld? wo?" Sie regte sich und die kleine Münze fiel klingend auf den Boden. Friedrich hob sie auf. -- "Geld vom Ohm Simon, weil ich ihm habe arbeiten helfen. Ich kann mir nun selber was verdienen." -- "Geld vom Simon? wirf's fort, fort! -- nein, gib's den Armen. Doch nein, behalt's," flüsterte sie kaum hörbar; "wir sind selber arm; wer weiß, ob wir bei dem Betteln vor- beikommen!" -- "Ich soll Montag wieder zum Ohm und ihm bei der Einsaat helfen." -- "Du wieder zu ihm? nein, nein, nimmermehr!" Sie umfaßte ihr Kind mit Heftigkeit. "Doch," fügte sie hinzu, und ein Thränenstrom stürzte ihr plötzlich über die eingefallenen Wangen; "geh, er ist mein
— „Ich will ja nur Holz holen aus dem Schup- pen,“ antwortete Friedrich. — Als beide Knaben fort waren, warf ſich Margreth auf einen Stuhl und ſchlug die Hände mit dem Ausdruck des tiefſten Jammers zuſammen. Ihr Geſicht war bleich wie ein Tuch. „Ein falſcher Eid, ein falſcher Eid!“ ſtöhnte ſie. „Was iſt’s? Simon, Simon, wie willſt du vor Gott beſtehen!“
So ſaß ſie eine Weile, ſtarr mit geklemmten Lippen, wie in völliger Geiſtesabweſenheit. Friedrich ſtand vor ihr und hatte ſie ſchon zweimal angeredet. „Was iſt’s? was willſt du?“ rief ſie auffahrend. — „Ich bringe Euch Geld,“ ſagte er, mehr erſtaunt als erſchreckt. — „Geld? wo?“ Sie regte ſich und die kleine Münze fiel klingend auf den Boden. Friedrich hob ſie auf. — „Geld vom Ohm Simon, weil ich ihm habe arbeiten helfen. Ich kann mir nun ſelber was verdienen.“ — „Geld vom Simon? wirf’s fort, fort! — nein, gib’s den Armen. Doch nein, behalt’s,“ flüſterte ſie kaum hörbar; „wir ſind ſelber arm; wer weiß, ob wir bei dem Betteln vor- beikommen!“ — „Ich ſoll Montag wieder zum Ohm und ihm bei der Einſaat helfen.“ — „Du wieder zu ihm? nein, nein, nimmermehr!“ Sie umfaßte ihr Kind mit Heftigkeit. „Doch,“ fügte ſie hinzu, und ein Thränenſtrom ſtürzte ihr plötzlich über die eingefallenen Wangen; „geh, er iſt mein
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— „Ich will ja nur Holz holen aus dem Schup-
pen,“ antwortete Friedrich. — Als beide Knaben
fort waren, warf ſich Margreth auf einen Stuhl
und ſchlug die Hände mit dem Ausdruck des tiefſten
Jammers zuſammen. Ihr Geſicht war bleich wie
ein Tuch. „Ein falſcher Eid, ein falſcher Eid!“
ſtöhnte ſie. „Was iſt’s? Simon, Simon, wie willſt
du vor Gott beſtehen!“
So ſaß ſie eine Weile, ſtarr mit geklemmten
Lippen, wie in völliger Geiſtesabweſenheit. Friedrich
ſtand vor ihr und hatte ſie ſchon zweimal angeredet.
„Was iſt’s? was willſt du?“ rief ſie auffahrend. —
„Ich bringe Euch Geld,“ ſagte er, mehr erſtaunt
als erſchreckt. — „Geld? wo?“ Sie regte ſich und
die kleine Münze fiel klingend auf den Boden.
Friedrich hob ſie auf. — „Geld vom Ohm Simon,
weil ich ihm habe arbeiten helfen. Ich kann mir
nun ſelber was verdienen.“ — „Geld vom Simon?
wirf’s fort, fort! — nein, gib’s den Armen. Doch
nein, behalt’s,“ flüſterte ſie kaum hörbar; „wir ſind
ſelber arm; wer weiß, ob wir bei dem Betteln vor-
beikommen!“ — „Ich ſoll Montag wieder zum
Ohm und ihm bei der Einſaat helfen.“ — „Du
wieder zu ihm? nein, nein, nimmermehr!“ Sie
umfaßte ihr Kind mit Heftigkeit. „Doch,“ fügte ſie
hinzu, und ein Thränenſtrom ſtürzte ihr plötzlich
über die eingefallenen Wangen; „geh, er iſt mein
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/186>, abgerufen am 16.07.2024.
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