Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.-- "Ich will ja nur Holz holen aus dem Schup- So saß sie eine Weile, starr mit geklemmten — „Ich will ja nur Holz holen aus dem Schup- So ſaß ſie eine Weile, ſtarr mit geklemmten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0186" n="170"/> — „Ich will ja nur Holz holen aus dem Schup-<lb/> pen,“ antwortete Friedrich. — Als beide Knaben<lb/> fort waren, warf ſich Margreth auf einen Stuhl<lb/> und ſchlug die Hände mit dem Ausdruck des tiefſten<lb/> Jammers zuſammen. Ihr Geſicht war bleich wie<lb/> ein Tuch. „Ein falſcher Eid, ein falſcher Eid!“<lb/> ſtöhnte ſie. „Was iſt’s? Simon, Simon, wie willſt<lb/> du vor Gott beſtehen!“</p><lb/> <p>So ſaß ſie eine Weile, ſtarr mit geklemmten<lb/> Lippen, wie in völliger Geiſtesabweſenheit. Friedrich<lb/> ſtand vor ihr und hatte ſie ſchon zweimal angeredet.<lb/> „Was iſt’s? was willſt du?“ rief ſie auffahrend. —<lb/> „Ich bringe Euch Geld,“ ſagte er, mehr erſtaunt<lb/> als erſchreckt. — „Geld? wo?“ Sie regte ſich und<lb/> die kleine Münze fiel klingend auf den Boden.<lb/> Friedrich hob ſie auf. — „Geld vom Ohm Simon,<lb/> weil ich ihm habe arbeiten helfen. Ich kann mir<lb/> nun ſelber was verdienen.“ — „Geld vom Simon?<lb/> wirf’s fort, fort! — nein, gib’s den Armen. Doch<lb/> nein, behalt’s,“ flüſterte ſie kaum hörbar; „wir ſind<lb/> ſelber arm; wer weiß, ob wir bei dem Betteln vor-<lb/> beikommen!“ — „Ich ſoll Montag wieder zum<lb/> Ohm und ihm bei der Einſaat helfen.“ — „Du<lb/> wieder zu ihm? nein, nein, nimmermehr!“ Sie<lb/> umfaßte ihr Kind mit Heftigkeit. „Doch,“ fügte ſie<lb/> hinzu, und ein Thränenſtrom ſtürzte ihr plötzlich<lb/> über die eingefallenen Wangen; „geh, er iſt mein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [170/0186]
— „Ich will ja nur Holz holen aus dem Schup-
pen,“ antwortete Friedrich. — Als beide Knaben
fort waren, warf ſich Margreth auf einen Stuhl
und ſchlug die Hände mit dem Ausdruck des tiefſten
Jammers zuſammen. Ihr Geſicht war bleich wie
ein Tuch. „Ein falſcher Eid, ein falſcher Eid!“
ſtöhnte ſie. „Was iſt’s? Simon, Simon, wie willſt
du vor Gott beſtehen!“
So ſaß ſie eine Weile, ſtarr mit geklemmten
Lippen, wie in völliger Geiſtesabweſenheit. Friedrich
ſtand vor ihr und hatte ſie ſchon zweimal angeredet.
„Was iſt’s? was willſt du?“ rief ſie auffahrend. —
„Ich bringe Euch Geld,“ ſagte er, mehr erſtaunt
als erſchreckt. — „Geld? wo?“ Sie regte ſich und
die kleine Münze fiel klingend auf den Boden.
Friedrich hob ſie auf. — „Geld vom Ohm Simon,
weil ich ihm habe arbeiten helfen. Ich kann mir
nun ſelber was verdienen.“ — „Geld vom Simon?
wirf’s fort, fort! — nein, gib’s den Armen. Doch
nein, behalt’s,“ flüſterte ſie kaum hörbar; „wir ſind
ſelber arm; wer weiß, ob wir bei dem Betteln vor-
beikommen!“ — „Ich ſoll Montag wieder zum
Ohm und ihm bei der Einſaat helfen.“ — „Du
wieder zu ihm? nein, nein, nimmermehr!“ Sie
umfaßte ihr Kind mit Heftigkeit. „Doch,“ fügte ſie
hinzu, und ein Thränenſtrom ſtürzte ihr plötzlich
über die eingefallenen Wangen; „geh, er iſt mein
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