Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.auch seine Kleider waren nicht dieselben, nein, das In der Schlafkammer klappte eine Schrank- "Da, Johannes!" sagte er und reichte ihm "Mein Spielen ist vorbei, ich muß jetzt Geld Margreth stand ganz still und ließ die Kinder auch ſeine Kleider waren nicht dieſelben, nein, das In der Schlafkammer klappte eine Schrank- „Da, Johannes!“ ſagte er und reichte ihm „Mein Spielen iſt vorbei, ich muß jetzt Geld Margreth ſtand ganz ſtill und ließ die Kinder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0183" n="167"/> auch ſeine Kleider waren nicht dieſelben, nein, das<lb/> war ihr Kind nicht! und dennoch — „Friedrich,<lb/> Friedrich!“ rief ſie.</p><lb/> <p>In der Schlafkammer klappte eine Schrank-<lb/> thür und der Gerufene trat hervor, in der einen<lb/> Hand eine ſogenannte Holzſchenvioline, d. h. einen<lb/> alten Holzſchuh, mit drei bis vier zerſchabten Gei-<lb/> genſaiten überſpannt, in der andern einen Bogen,<lb/> ganz des Inſtrumentes würdig. So ging er gerade<lb/> auf ſein verkümmertes Spiegelbild zu, ſeinerſeits<lb/> mit einer Haltung bewußter Würde und Selbſt-<lb/> ſtändigkeit, die in dieſem Augenblicke den Unterſchied<lb/> zwiſchen beiden ſonſt merkwürdig ähnlichen Knaben<lb/> ſtark hervortreten ließ.</p><lb/> <p>„Da, Johannes!“ ſagte er und reichte ihm<lb/> mit einer Gönnermiene das Kunſtwerk; „da iſt die<lb/> Violine, die ich dir verſprochen habe.“</p><lb/> <p>„Mein Spielen iſt vorbei, ich muß jetzt Geld<lb/> verdienen.“ — Johannes warf noch einmal einen<lb/> ſcheuen Blick auf Margreth, ſtreckte dann langſam<lb/> ſeine Hand aus, bis er das Dargebotene feſt er-<lb/> griffen hatte, und brachte es wie verſtohlen unter<lb/> die Flügel ſeines armſeligen Jäckchens.</p><lb/> <p>Margreth ſtand ganz ſtill und ließ die Kinder<lb/> gewähren. Ihre Gedanken hatten eine andere, ſehr<lb/> ernſte Richtung genommen, und ſie blickte mit un-<lb/> ruhigem Auge von Einem auf den Andern. Der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [167/0183]
auch ſeine Kleider waren nicht dieſelben, nein, das
war ihr Kind nicht! und dennoch — „Friedrich,
Friedrich!“ rief ſie.
In der Schlafkammer klappte eine Schrank-
thür und der Gerufene trat hervor, in der einen
Hand eine ſogenannte Holzſchenvioline, d. h. einen
alten Holzſchuh, mit drei bis vier zerſchabten Gei-
genſaiten überſpannt, in der andern einen Bogen,
ganz des Inſtrumentes würdig. So ging er gerade
auf ſein verkümmertes Spiegelbild zu, ſeinerſeits
mit einer Haltung bewußter Würde und Selbſt-
ſtändigkeit, die in dieſem Augenblicke den Unterſchied
zwiſchen beiden ſonſt merkwürdig ähnlichen Knaben
ſtark hervortreten ließ.
„Da, Johannes!“ ſagte er und reichte ihm
mit einer Gönnermiene das Kunſtwerk; „da iſt die
Violine, die ich dir verſprochen habe.“
„Mein Spielen iſt vorbei, ich muß jetzt Geld
verdienen.“ — Johannes warf noch einmal einen
ſcheuen Blick auf Margreth, ſtreckte dann langſam
ſeine Hand aus, bis er das Dargebotene feſt er-
griffen hatte, und brachte es wie verſtohlen unter
die Flügel ſeines armſeligen Jäckchens.
Margreth ſtand ganz ſtill und ließ die Kinder
gewähren. Ihre Gedanken hatten eine andere, ſehr
ernſte Richtung genommen, und ſie blickte mit un-
ruhigem Auge von Einem auf den Andern. Der
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