Als sie wieder in die dunkle Küche trat, stand Friedrich am Herde; er hatte sich vorn übergebeugt und wärmte die Hände an den Kohlen. Der Schein spielte auf seinen Zügen und gab ihnen ein widriges Ansehen von Magerkeit und ängstlichem Zucken. Margreth blieb in der Tennenthür stehen, so seltsam verändert kam ihr das Kind vor.
"Friedrich, wie geht's dem Ohm?" Der Knabe murmelte einige unverständliche Worte und drängte sich dicht an die Feuermauer. -- "Friedrich, hast du das Reden verlernt? Junge, thu' das Maul auf! du weißt ja doch, daß ich auf dem rechten Ohr nicht gut höre." -- Das Kind erhob seine Stimme und gerieth dermaßen in's Stammeln, daß Margreth es um nichts mehr begriff. --
"Was sagst du? einen Gruß von Meister Semmler? wieder fort? wohin? die Kühe sind schon zu Hause. Verfluchter Junge, ich kann dich nicht verstehen. Wart', ich muß einmal sehen, ob du keine Zunge im Munde hast!" -- Sie trat heftig einige Schritte vor. Das Kind sah zu ihr auf mit dem Jammerblick eines armen, halbwüchsigen Hundes, der Schildwacht stehen lernt, und begann in der Angst mit den Füßen zu stampfen und den Rücken an der Feuermauer zu reiben.
Margreth stand still; ihre Blicke wurden ängst- lich. Der Knabe erschien ihr wie zusammengeschrumpft,
Als ſie wieder in die dunkle Küche trat, ſtand Friedrich am Herde; er hatte ſich vorn übergebeugt und wärmte die Hände an den Kohlen. Der Schein ſpielte auf ſeinen Zügen und gab ihnen ein widriges Anſehen von Magerkeit und ängſtlichem Zucken. Margreth blieb in der Tennenthür ſtehen, ſo ſeltſam verändert kam ihr das Kind vor.
„Friedrich, wie geht’s dem Ohm?“ Der Knabe murmelte einige unverſtändliche Worte und drängte ſich dicht an die Feuermauer. — „Friedrich, haſt du das Reden verlernt? Junge, thu’ das Maul auf! du weißt ja doch, daß ich auf dem rechten Ohr nicht gut höre.“ — Das Kind erhob ſeine Stimme und gerieth dermaßen in’s Stammeln, daß Margreth es um nichts mehr begriff. —
„Was ſagſt du? einen Gruß von Meiſter Semmler? wieder fort? wohin? die Kühe ſind ſchon zu Hauſe. Verfluchter Junge, ich kann dich nicht verſtehen. Wart’, ich muß einmal ſehen, ob du keine Zunge im Munde haſt!“ — Sie trat heftig einige Schritte vor. Das Kind ſah zu ihr auf mit dem Jammerblick eines armen, halbwüchſigen Hundes, der Schildwacht ſtehen lernt, und begann in der Angſt mit den Füßen zu ſtampfen und den Rücken an der Feuermauer zu reiben.
Margreth ſtand ſtill; ihre Blicke wurden ängſt- lich. Der Knabe erſchien ihr wie zuſammengeſchrumpft,
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Als ſie wieder in die dunkle Küche trat, ſtand
Friedrich am Herde; er hatte ſich vorn übergebeugt
und wärmte die Hände an den Kohlen. Der Schein
ſpielte auf ſeinen Zügen und gab ihnen ein widriges
Anſehen von Magerkeit und ängſtlichem Zucken.
Margreth blieb in der Tennenthür ſtehen, ſo ſeltſam
verändert kam ihr das Kind vor.
„Friedrich, wie geht’s dem Ohm?“ Der Knabe
murmelte einige unverſtändliche Worte und drängte
ſich dicht an die Feuermauer. — „Friedrich, haſt
du das Reden verlernt? Junge, thu’ das Maul
auf! du weißt ja doch, daß ich auf dem rechten
Ohr nicht gut höre.“ — Das Kind erhob ſeine
Stimme und gerieth dermaßen in’s Stammeln, daß
Margreth es um nichts mehr begriff. —
„Was ſagſt du? einen Gruß von Meiſter
Semmler? wieder fort? wohin? die Kühe ſind ſchon
zu Hauſe. Verfluchter Junge, ich kann dich nicht
verſtehen. Wart’, ich muß einmal ſehen, ob du
keine Zunge im Munde haſt!“ — Sie trat heftig
einige Schritte vor. Das Kind ſah zu ihr auf
mit dem Jammerblick eines armen, halbwüchſigen
Hundes, der Schildwacht ſtehen lernt, und begann
in der Angſt mit den Füßen zu ſtampfen und den
Rücken an der Feuermauer zu reiben.
Margreth ſtand ſtill; ihre Blicke wurden ängſt-
lich. Der Knabe erſchien ihr wie zuſammengeſchrumpft,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/182>, abgerufen am 16.07.2024.
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