Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.lieb, kam nie nach Hause ohne ihm ein Stückchen Friedrich stand in seinem neunten Jahre. Es "Mutter, kommt der Vater heute nicht?" "Nein Kind, morgen. -- "Aber warum nicht, Sie hatten sich kaum niedergelegt, so erhob lieb, kam nie nach Hauſe ohne ihm ein Stückchen Friedrich ſtand in ſeinem neunten Jahre. Es „Mutter, kommt der Vater heute nicht?“ „Nein Kind, morgen. — „Aber warum nicht, Sie hatten ſich kaum niedergelegt, ſo erhob <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0168" n="152"/> lieb, kam nie nach Hauſe ohne ihm ein Stückchen<lb/> Wecken oder dergleichen mitzubringen, und man<lb/> meinte ſogar, er ſei ſeit der Geburt des Knaben<lb/> ordentlicher geworden; wenigſtens war der Lärmen<lb/> im Hauſe geringer.</p><lb/> <p>Friedrich ſtand in ſeinem neunten Jahre. Es<lb/> war um das Feſt der heiligen drei Könige, eine<lb/> rauhe, ſtürmiſche Winternacht. Hermann war zu<lb/> einer Hochzeit gegangen und hatte ſich ſchon bei<lb/> Zeiten auf den Weg gemacht, da das Brauthaus<lb/> Dreiviertelmeilen entfernt lag. Obgleich er verſprochen<lb/> hatte, Abends wiederzukommen, rechnete Frau Mergel<lb/> doch um ſo weniger darauf, da ſich nach Sonnen-<lb/> untergang dichtes Schneegeſtöber eingeſtellt hatte.<lb/> Gegen zehn Uhr ſchürte ſie die Aſche am Herde zu-<lb/> ſammen und machte ſich zum Schlafengehen bereit.<lb/> Friedrich ſtand neben ihr, ſchon halb entkleidet, und<lb/> horchte auf das Geheul des Windes und das<lb/> Klappen der Bodenfenſter.</p><lb/> <p>„Mutter, kommt der Vater heute nicht?“<lb/> fragte er.</p><lb/> <p>„Nein Kind, morgen. — „Aber warum nicht,<lb/> Mutter? er hat’s doch verſprochen.“ — „Ach Gott,<lb/> wenn der Alles hielte, was er verſpricht! Mach,<lb/> mach voran, daß du fertig wirſt.“</p><lb/> <p>Sie hatten ſich kaum niedergelegt, ſo erhob<lb/> ſich eine Windsbraut, als ob ſie das Haus mit-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [152/0168]
lieb, kam nie nach Hauſe ohne ihm ein Stückchen
Wecken oder dergleichen mitzubringen, und man
meinte ſogar, er ſei ſeit der Geburt des Knaben
ordentlicher geworden; wenigſtens war der Lärmen
im Hauſe geringer.
Friedrich ſtand in ſeinem neunten Jahre. Es
war um das Feſt der heiligen drei Könige, eine
rauhe, ſtürmiſche Winternacht. Hermann war zu
einer Hochzeit gegangen und hatte ſich ſchon bei
Zeiten auf den Weg gemacht, da das Brauthaus
Dreiviertelmeilen entfernt lag. Obgleich er verſprochen
hatte, Abends wiederzukommen, rechnete Frau Mergel
doch um ſo weniger darauf, da ſich nach Sonnen-
untergang dichtes Schneegeſtöber eingeſtellt hatte.
Gegen zehn Uhr ſchürte ſie die Aſche am Herde zu-
ſammen und machte ſich zum Schlafengehen bereit.
Friedrich ſtand neben ihr, ſchon halb entkleidet, und
horchte auf das Geheul des Windes und das
Klappen der Bodenfenſter.
„Mutter, kommt der Vater heute nicht?“
fragte er.
„Nein Kind, morgen. — „Aber warum nicht,
Mutter? er hat’s doch verſprochen.“ — „Ach Gott,
wenn der Alles hielte, was er verſpricht! Mach,
mach voran, daß du fertig wirſt.“
Sie hatten ſich kaum niedergelegt, ſo erhob
ſich eine Windsbraut, als ob ſie das Haus mit-
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