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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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nicht: wenn's mir schlecht geht, so sagt, es liege an
mir." Der Erfolg zeigte leider, daß sie ihre Kräfte
überschätzt hatte. Anfangs imponirte sie ihrem
Manne; er kam nicht nach Haus oder brach in die
Scheune, wenn er sich übernommen hatte; aber
das Joch war zu drückend, um lange getragen zu
werden, und bald sah man ihn oft genug quer
über die Gasse ins Haus taumeln, hörte drinnen
sein wüstes Lärmen und sah Margreth eilends
Thür und Fenster schließen. An einem solchen Tage
-- keinem Sonntage mehr -- sah man sie Abends
aus dem Hause stürzen, ohne Haube und Halstuch,
das Haar wild um den Kopf hängend, sich im
Garten neben ein Krautbeet niederwerfen und die
Erde mit den Händen aufwühlen, dann ängstlich
um sich schauen, rasch ein Bündel Kräuter brechen
und damit langsam wieder dem Hause zugehen,
aber nicht hinein, sondern in die Scheune. Es
hieß, an diesem Tage habe Mergel zuerst Hand an
sie gelegt, obwohl das Bekenntniß nie über ihre
Lippen kam. -- Das zweite Jahr dieser unglücklichen
Ehe ward mit einem Sohne, man kann nicht sagen
erfreut, denn Margareth soll sehr geweint haben,
als man ihr das Kind reichte. Dennoch, obwohl
unter einem Herzen voll Gram getragen, war Friedrich
ein gesundes hübsches Kind, das in der frischen
Luft kräftig gedieh. Der Vater hatte ihn sehr

nicht: wenn’s mir ſchlecht geht, ſo ſagt, es liege an
mir.“ Der Erfolg zeigte leider, daß ſie ihre Kräfte
überſchätzt hatte. Anfangs imponirte ſie ihrem
Manne; er kam nicht nach Haus oder brach in die
Scheune, wenn er ſich übernommen hatte; aber
das Joch war zu drückend, um lange getragen zu
werden, und bald ſah man ihn oft genug quer
über die Gaſſe ins Haus taumeln, hörte drinnen
ſein wüſtes Lärmen und ſah Margreth eilends
Thür und Fenſter ſchließen. An einem ſolchen Tage
— keinem Sonntage mehr — ſah man ſie Abends
aus dem Hauſe ſtürzen, ohne Haube und Halstuch,
das Haar wild um den Kopf hängend, ſich im
Garten neben ein Krautbeet niederwerfen und die
Erde mit den Händen aufwühlen, dann ängſtlich
um ſich ſchauen, raſch ein Bündel Kräuter brechen
und damit langſam wieder dem Hauſe zugehen,
aber nicht hinein, ſondern in die Scheune. Es
hieß, an dieſem Tage habe Mergel zuerſt Hand an
ſie gelegt, obwohl das Bekenntniß nie über ihre
Lippen kam. — Das zweite Jahr dieſer unglücklichen
Ehe ward mit einem Sohne, man kann nicht ſagen
erfreut, denn Margareth ſoll ſehr geweint haben,
als man ihr das Kind reichte. Dennoch, obwohl
unter einem Herzen voll Gram getragen, war Friedrich
ein geſundes hübſches Kind, das in der friſchen
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[151/0167] nicht: wenn’s mir ſchlecht geht, ſo ſagt, es liege an mir.“ Der Erfolg zeigte leider, daß ſie ihre Kräfte überſchätzt hatte. Anfangs imponirte ſie ihrem Manne; er kam nicht nach Haus oder brach in die Scheune, wenn er ſich übernommen hatte; aber das Joch war zu drückend, um lange getragen zu werden, und bald ſah man ihn oft genug quer über die Gaſſe ins Haus taumeln, hörte drinnen ſein wüſtes Lärmen und ſah Margreth eilends Thür und Fenſter ſchließen. An einem ſolchen Tage — keinem Sonntage mehr — ſah man ſie Abends aus dem Hauſe ſtürzen, ohne Haube und Halstuch, das Haar wild um den Kopf hängend, ſich im Garten neben ein Krautbeet niederwerfen und die Erde mit den Händen aufwühlen, dann ängſtlich um ſich ſchauen, raſch ein Bündel Kräuter brechen und damit langſam wieder dem Hauſe zugehen, aber nicht hinein, ſondern in die Scheune. Es hieß, an dieſem Tage habe Mergel zuerſt Hand an ſie gelegt, obwohl das Bekenntniß nie über ihre Lippen kam. — Das zweite Jahr dieſer unglücklichen Ehe ward mit einem Sohne, man kann nicht ſagen erfreut, denn Margareth ſoll ſehr geweint haben, als man ihr das Kind reichte. Dennoch, obwohl unter einem Herzen voll Gram getragen, war Friedrich ein geſundes hübſches Kind, das in der friſchen Luft kräftig gedieh. Der Vater hatte ihn ſehr

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/167>, abgerufen am 27.11.2024.