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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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Wohl weiß ich es, daß über unsre Thränen
Du weit erhöht im lichten Glanze steh'st,
Daß dir verständlich mein geheimstes Sehnen,
Du gern als Engel mir zur Seite geh'st;
Wohl fühl' ich oft, wenn schaut mein Blick nach oben,
Mich aufgerichtet wie durch Gottes Hand,
Dann fühl' ich auch, es gibt ein geistig Band
Und meines Kindes Hand hat mich erhoben.
Aus jenem Sterne, der so milde glühet,
Scheint wohl dein Blick in mein verweintes Aug'?
Und in der Luft, die kosend mich umziehet,
Will trösten mich vielleicht dein frommer Hauch?
Befreit von Fesseln, die uns drunten binden,
Begabt mit Kräften, die uns nicht verlieh'n,
Wohl mag dein Odem öfters mich umzieh'n,
Constanze, kannst du mir es nicht verkünden?
Mich dünkt, in ihrem tiefen Gram zu sehen
Die Eltern, woran hing dein zärtlich Herz,
Zu wissen, sie verstehen nicht dein Wehen,
Mich dünkt, mein Kind, dies sei dir doch ein Schmerz;
Doch nein, vor deinen klaren Geisterblicken
Liegt hell und licht des Dornenpfades Ziel,
So scheint dir Menschenkummer wohl ein Spiel,
Und was uns läutert, kann dich nur beglücken.
Wohl weiß ich es, daß über unſre Thränen
Du weit erhöht im lichten Glanze ſteh’ſt,
Daß dir verſtändlich mein geheimſtes Sehnen,
Du gern als Engel mir zur Seite geh’ſt;
Wohl fühl’ ich oft, wenn ſchaut mein Blick nach oben,
Mich aufgerichtet wie durch Gottes Hand,
Dann fühl’ ich auch, es gibt ein geiſtig Band
Und meines Kindes Hand hat mich erhoben.
Aus jenem Sterne, der ſo milde glühet,
Scheint wohl dein Blick in mein verweintes Aug’?
Und in der Luft, die koſend mich umziehet,
Will tröſten mich vielleicht dein frommer Hauch?
Befreit von Feſſeln, die uns drunten binden,
Begabt mit Kräften, die uns nicht verlieh’n,
Wohl mag dein Odem öfters mich umzieh’n,
Conſtanze, kannſt du mir es nicht verkünden?
Mich dünkt, in ihrem tiefen Gram zu ſehen
Die Eltern, woran hing dein zärtlich Herz,
Zu wiſſen, ſie verſtehen nicht dein Wehen,
Mich dünkt, mein Kind, dies ſei dir doch ein Schmerz;
Doch nein, vor deinen klaren Geiſterblicken
Liegt hell und licht des Dornenpfades Ziel,
So ſcheint dir Menſchenkummer wohl ein Spiel,
Und was uns läutert, kann dich nur beglücken.
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[121/0137] Wohl weiß ich es, daß über unſre Thränen Du weit erhöht im lichten Glanze ſteh’ſt, Daß dir verſtändlich mein geheimſtes Sehnen, Du gern als Engel mir zur Seite geh’ſt; Wohl fühl’ ich oft, wenn ſchaut mein Blick nach oben, Mich aufgerichtet wie durch Gottes Hand, Dann fühl’ ich auch, es gibt ein geiſtig Band Und meines Kindes Hand hat mich erhoben. Aus jenem Sterne, der ſo milde glühet, Scheint wohl dein Blick in mein verweintes Aug’? Und in der Luft, die koſend mich umziehet, Will tröſten mich vielleicht dein frommer Hauch? Befreit von Feſſeln, die uns drunten binden, Begabt mit Kräften, die uns nicht verlieh’n, Wohl mag dein Odem öfters mich umzieh’n, Conſtanze, kannſt du mir es nicht verkünden? Mich dünkt, in ihrem tiefen Gram zu ſehen Die Eltern, woran hing dein zärtlich Herz, Zu wiſſen, ſie verſtehen nicht dein Wehen, Mich dünkt, mein Kind, dies ſei dir doch ein Schmerz; Doch nein, vor deinen klaren Geiſterblicken Liegt hell und licht des Dornenpfades Ziel, So ſcheint dir Menſchenkummer wohl ein Spiel, Und was uns läutert, kann dich nur beglücken.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/137>, abgerufen am 27.11.2024.