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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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Bist du es, dem ringsum die Lüfte zittern,
Du weißes Haupt mit deinem Klippenkranz?
Ich fühle deinen Blick die Brust erschüttern
Wie über'm Duft du riesig steh'st im Glanz;
Ja, gleich der Arche über Wogengrimmen
Seh' ich in weiter Wolkenflut dich schwimmen,
Im weiten, weiten Meere, einsam ganz.
Nein, einsam nicht -- dort taucht es aus den Wolken,
Cäsalpiana hebt die Stirne bleich;
Dort ragt der Glärnisch auf; -- dort seh' ich's schwellen,
Und Zack an Zack entsteigt der Flut zugleich;
O Säntis, wohl mit Recht trägst du die Krone,
Da sieben Fürsten steh'n an deinem Throne,
Und unermeßlich ist dein luftig Reich.
Tyrol auch sendet der Verbündung Zeichen,
Es blitzt dir seine kalten Grüße zu;
Welch' Hof ist wohl dem deinen zu vergleichen,
Mein grauer stolzer Alpenkönig du!
Die Sonne steigt, schon Strahl an Strahl sie sendet,
Wie's droben funkelt, wie's das Auge blendet,
Und drunten alles Dämmrung, alles Ruh.
Biſt du es, dem ringsum die Lüfte zittern,
Du weißes Haupt mit deinem Klippenkranz?
Ich fühle deinen Blick die Bruſt erſchüttern
Wie über’m Duft du rieſig ſteh’ſt im Glanz;
Ja, gleich der Arche über Wogengrimmen
Seh’ ich in weiter Wolkenflut dich ſchwimmen,
Im weiten, weiten Meere, einſam ganz.
Nein, einſam nicht — dort taucht es aus den Wolken,
Cäſalpiana hebt die Stirne bleich;
Dort ragt der Glärniſch auf; — dort ſeh’ ich’s ſchwellen,
Und Zack an Zack entſteigt der Flut zugleich;
O Säntis, wohl mit Recht trägſt du die Krone,
Da ſieben Fürſten ſteh’n an deinem Throne,
Und unermeßlich iſt dein luftig Reich.
Tyrol auch ſendet der Verbündung Zeichen,
Es blitzt dir ſeine kalten Grüße zu;
Welch’ Hof iſt wohl dem deinen zu vergleichen,
Mein grauer ſtolzer Alpenkönig du!
Die Sonne ſteigt, ſchon Strahl an Strahl ſie ſendet,
Wie’s droben funkelt, wie’s das Auge blendet,
Und drunten alles Dämmrung, alles Ruh.
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[112/0128] Biſt du es, dem ringsum die Lüfte zittern, Du weißes Haupt mit deinem Klippenkranz? Ich fühle deinen Blick die Bruſt erſchüttern Wie über’m Duft du rieſig ſteh’ſt im Glanz; Ja, gleich der Arche über Wogengrimmen Seh’ ich in weiter Wolkenflut dich ſchwimmen, Im weiten, weiten Meere, einſam ganz. Nein, einſam nicht — dort taucht es aus den Wolken, Cäſalpiana hebt die Stirne bleich; Dort ragt der Glärniſch auf; — dort ſeh’ ich’s ſchwellen, Und Zack an Zack entſteigt der Flut zugleich; O Säntis, wohl mit Recht trägſt du die Krone, Da ſieben Fürſten ſteh’n an deinem Throne, Und unermeßlich iſt dein luftig Reich. Tyrol auch ſendet der Verbündung Zeichen, Es blitzt dir ſeine kalten Grüße zu; Welch’ Hof iſt wohl dem deinen zu vergleichen, Mein grauer ſtolzer Alpenkönig du! Die Sonne ſteigt, ſchon Strahl an Strahl ſie ſendet, Wie’s droben funkelt, wie’s das Auge blendet, Und drunten alles Dämmrung, alles Ruh.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/128>, abgerufen am 27.11.2024.