Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite
Mir ist er gar ein trauter Freund,
Der mit mir lächelt, mit mir weint,
Ist, wenn er grünlich golden ruht,
Mir eine sanfte Zauberfluth,
Aus deren tiefem, klaren Grund
Gestalten meines Lebens steigen,
Geliebte Augen, süßer Mund
Sich lächelnd tröstend zu mir neigen.
Wie hab' ich schon so manche Nacht
Des Mondes Wiederschein bewacht!
Die klare Bahn auf dunklem Grün,
Wo meiner Todten Schatten zieh'n;
Wie manchen Tag den lichten Hang,
Bewegt von hüpfend leichten Schritten,
Auf dem mit leisem Geistergang
Meiner Lebend'gen Bilder glitten.
Und als dein Bild vorüberschwand,
Da streckte ich nach dir die Hand,
Und meiner Seele ward es weh,
Daß dir verborgen ihre Näh';
So nimm denn meine Lieder nun
Als liebesrothe Flammenzungen,
Laß sie in deinem Busen ruh'n
Und denk' ich hab' sie dir gesungen.

Mir iſt er gar ein trauter Freund,
Der mit mir lächelt, mit mir weint,
Iſt, wenn er grünlich golden ruht,
Mir eine ſanfte Zauberfluth,
Aus deren tiefem, klaren Grund
Geſtalten meines Lebens ſteigen,
Geliebte Augen, ſüßer Mund
Sich lächelnd tröſtend zu mir neigen.
Wie hab’ ich ſchon ſo manche Nacht
Des Mondes Wiederſchein bewacht!
Die klare Bahn auf dunklem Grün,
Wo meiner Todten Schatten zieh’n;
Wie manchen Tag den lichten Hang,
Bewegt von hüpfend leichten Schritten,
Auf dem mit leiſem Geiſtergang
Meiner Lebend’gen Bilder glitten.
Und als dein Bild vorüberſchwand,
Da ſtreckte ich nach dir die Hand,
Und meiner Seele ward es weh,
Daß dir verborgen ihre Näh’;
So nimm denn meine Lieder nun
Als liebesrothe Flammenzungen,
Laß ſie in deinem Buſen ruh’n
Und denk’ ich hab’ ſie dir geſungen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0123" n="107"/>
            <lg n="2">
              <l>Mir i&#x017F;t er gar ein trauter Freund,</l><lb/>
              <l>Der mit mir lächelt, mit mir weint,</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t, wenn er grünlich golden ruht,</l><lb/>
              <l>Mir eine &#x017F;anfte Zauberfluth,</l><lb/>
              <l>Aus deren tiefem, klaren Grund</l><lb/>
              <l>Ge&#x017F;talten meines Lebens &#x017F;teigen,</l><lb/>
              <l>Geliebte Augen, &#x017F;üßer Mund</l><lb/>
              <l>Sich lächelnd trö&#x017F;tend zu mir neigen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Wie hab&#x2019; ich &#x017F;chon &#x017F;o manche Nacht</l><lb/>
              <l>Des Mondes Wieder&#x017F;chein bewacht!</l><lb/>
              <l>Die klare Bahn auf dunklem Grün,</l><lb/>
              <l>Wo meiner Todten Schatten zieh&#x2019;n;</l><lb/>
              <l>Wie manchen Tag den lichten Hang,</l><lb/>
              <l>Bewegt von hüpfend leichten Schritten,</l><lb/>
              <l>Auf dem mit lei&#x017F;em Gei&#x017F;tergang</l><lb/>
              <l>Meiner Lebend&#x2019;gen Bilder glitten.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Und als dein Bild vorüber&#x017F;chwand,</l><lb/>
              <l>Da &#x017F;treckte ich nach dir die Hand,</l><lb/>
              <l>Und meiner Seele ward es weh,</l><lb/>
              <l>Daß dir verborgen ihre Näh&#x2019;;</l><lb/>
              <l>So nimm denn meine Lieder nun</l><lb/>
              <l>Als liebesrothe Flammenzungen,</l><lb/>
              <l>Laß &#x017F;ie in deinem Bu&#x017F;en ruh&#x2019;n</l><lb/>
              <l>Und denk&#x2019; ich hab&#x2019; &#x017F;ie dir ge&#x017F;ungen.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0123] Mir iſt er gar ein trauter Freund, Der mit mir lächelt, mit mir weint, Iſt, wenn er grünlich golden ruht, Mir eine ſanfte Zauberfluth, Aus deren tiefem, klaren Grund Geſtalten meines Lebens ſteigen, Geliebte Augen, ſüßer Mund Sich lächelnd tröſtend zu mir neigen. Wie hab’ ich ſchon ſo manche Nacht Des Mondes Wiederſchein bewacht! Die klare Bahn auf dunklem Grün, Wo meiner Todten Schatten zieh’n; Wie manchen Tag den lichten Hang, Bewegt von hüpfend leichten Schritten, Auf dem mit leiſem Geiſtergang Meiner Lebend’gen Bilder glitten. Und als dein Bild vorüberſchwand, Da ſtreckte ich nach dir die Hand, Und meiner Seele ward es weh, Daß dir verborgen ihre Näh’; So nimm denn meine Lieder nun Als liebesrothe Flammenzungen, Laß ſie in deinem Buſen ruh’n Und denk’ ich hab’ ſie dir geſungen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/123
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/123>, abgerufen am 27.11.2024.