Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Schau dort am Riff -- man sieht es kaum -- So recht vom Sonnenbrand gekocht Das kleine Beet, vier Schritte Raum, Vom Schieferhange überjocht, Nach Ost und Westen eingehegt, Mit starken Planken abgeschlagen, Als sollt' es Wunderblumen tragen, Und sind nur Kräuter, was es trägt. Und dort die Frau an Riffes Mitten, Ach Gott, sie hat wohl viel gelitten! Sie klimmt so schwer den Steig hinan. Nun steht sie keuchend, lös't das Mieder, Nun sinkt sie an dem Beete nieder, Und faltet ihre Hände dann: "Liebe Münze, du werther Stab, Drauf meines Heilands Sohle stand, Als ihm drüben im Morgenland Sanct Battiste die Taufe gab; Heiliges Kraut, das aus seinem Leibe Ward gesegnet mit Wunderkraft, Hilf einer Witw', einem armen Weibe, Das so sorglich um dich geschafft. Schau dort am Riff — man ſieht es kaum — So recht vom Sonnenbrand gekocht Das kleine Beet, vier Schritte Raum, Vom Schieferhange überjocht, Nach Oſt und Weſten eingehegt, Mit ſtarken Planken abgeſchlagen, Als ſollt’ es Wunderblumen tragen, Und ſind nur Kräuter, was es trägt. Und dort die Frau an Riffes Mitten, Ach Gott, ſie hat wohl viel gelitten! Sie klimmt ſo ſchwer den Steig hinan. Nun ſteht ſie keuchend, löſ’t das Mieder, Nun ſinkt ſie an dem Beete nieder, Und faltet ihre Hände dann: „Liebe Münze, du werther Stab, Drauf meines Heilands Sohle ſtand, Als ihm drüben im Morgenland Sanct Battiſte die Taufe gab; Heiliges Kraut, das aus ſeinem Leibe Ward geſegnet mit Wunderkraft, Hilf einer Witw’, einem armen Weibe, Das ſo ſorglich um dich geſchafft. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0102" n="86"/> <lg n="2"> <l>Schau dort am Riff — man ſieht es kaum —</l><lb/> <l>So recht vom Sonnenbrand gekocht</l><lb/> <l>Das kleine Beet, vier Schritte Raum,</l><lb/> <l>Vom Schieferhange überjocht,</l><lb/> <l>Nach Oſt und Weſten eingehegt,</l><lb/> <l>Mit ſtarken Planken abgeſchlagen,</l><lb/> <l>Als ſollt’ es Wunderblumen tragen,</l><lb/> <l>Und ſind nur Kräuter, was es trägt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und dort die Frau an Riffes Mitten,</l><lb/> <l>Ach Gott, ſie hat wohl viel gelitten!</l><lb/> <l>Sie klimmt ſo ſchwer den Steig hinan.</l><lb/> <l>Nun ſteht ſie keuchend, löſ’t das Mieder,</l><lb/> <l>Nun ſinkt ſie an dem Beete nieder,</l><lb/> <l>Und faltet ihre Hände dann:</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>„Liebe Münze, du werther Stab,</l><lb/> <l>Drauf meines Heilands Sohle ſtand,</l><lb/> <l>Als ihm drüben im Morgenland</l><lb/> <l>Sanct Battiſte die Taufe gab;</l><lb/> <l>Heiliges Kraut, das aus ſeinem Leibe</l><lb/> <l>Ward geſegnet mit Wunderkraft,</l><lb/> <l>Hilf einer Witw’, einem armen Weibe,</l><lb/> <l>Das ſo ſorglich um dich geſchafft.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0102]
Schau dort am Riff — man ſieht es kaum —
So recht vom Sonnenbrand gekocht
Das kleine Beet, vier Schritte Raum,
Vom Schieferhange überjocht,
Nach Oſt und Weſten eingehegt,
Mit ſtarken Planken abgeſchlagen,
Als ſollt’ es Wunderblumen tragen,
Und ſind nur Kräuter, was es trägt.
Und dort die Frau an Riffes Mitten,
Ach Gott, ſie hat wohl viel gelitten!
Sie klimmt ſo ſchwer den Steig hinan.
Nun ſteht ſie keuchend, löſ’t das Mieder,
Nun ſinkt ſie an dem Beete nieder,
Und faltet ihre Hände dann:
„Liebe Münze, du werther Stab,
Drauf meines Heilands Sohle ſtand,
Als ihm drüben im Morgenland
Sanct Battiſte die Taufe gab;
Heiliges Kraut, das aus ſeinem Leibe
Ward geſegnet mit Wunderkraft,
Hilf einer Witw’, einem armen Weibe,
Das ſo ſorglich um dich geſchafft.
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