Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie horcht und horcht -- das war ein Schlüpfen!
Doch nein -- der Wind die Föhren schwellt,
Und das -- am Flur ein schwaches Hüpfen,
Wie wenn zum Grund die Krume fällt!
"Eugene, was wirfst du dich umher,
Was soll denn das Gedehn' und Ziehen?
Mein Gott, wie ihm die Händchen glühen!
Er träumt so schwer.
Sie rückt das Kind an ihrer Seiten,
Den Knaben dicht zu sich heran,
Läßt durch sein Haar die Finger gleiten,
Es hangen Schweißes Tropfen dran;
Erschrocken öffnet sie das Aug',
Will nach dem Fensterglase schauen,
Da eben steigt das Morgengrauen,
Ein trüber Rauch.
Vom Lager fährt die Mutter, bebend
Hat sie der Lampe Docht gehellt,
Als sachte über'm Lailach schwebend
Ein Epheublatt zu Boden fällt.
Das Glück! das ist des Glückes Spur?
Doch nein! -- sie pflückt es ja dem Kinde,
Und dort nascht an der Semmelrinde
Die Ratte nur.
Sie horcht und horcht — das war ein Schlüpfen!
Doch nein — der Wind die Föhren ſchwellt,
Und das — am Flur ein ſchwaches Hüpfen,
Wie wenn zum Grund die Krume fällt!
„Eugene, was wirfſt du dich umher,
Was ſoll denn das Gedehn’ und Ziehen?
Mein Gott, wie ihm die Händchen glühen!
Er träumt ſo ſchwer.
Sie rückt das Kind an ihrer Seiten,
Den Knaben dicht zu ſich heran,
Läßt durch ſein Haar die Finger gleiten,
Es hangen Schweißes Tropfen dran;
Erſchrocken öffnet ſie das Aug’,
Will nach dem Fenſterglaſe ſchauen,
Da eben ſteigt das Morgengrauen,
Ein trüber Rauch.
Vom Lager fährt die Mutter, bebend
Hat ſie der Lampe Docht gehellt,
Als ſachte über’m Lailach ſchwebend
Ein Epheublatt zu Boden fällt.
Das Glück! das iſt des Glückes Spur?
Doch nein! — ſie pflückt es ja dem Kinde,
Und dort naſcht an der Semmelrinde
Die Ratte nur.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0100" n="84"/>
              <lg n="8">
                <l>Sie horcht und horcht &#x2014; das war ein Schlüpfen!</l><lb/>
                <l>Doch nein &#x2014; der Wind die Föhren &#x017F;chwellt,</l><lb/>
                <l>Und das &#x2014; am Flur ein &#x017F;chwaches Hüpfen,</l><lb/>
                <l>Wie wenn zum Grund die Krume fällt!</l><lb/>
                <l>&#x201E;Eugene, was wirf&#x017F;t du dich umher,</l><lb/>
                <l>Was &#x017F;oll denn das Gedehn&#x2019; und Ziehen?</l><lb/>
                <l>Mein Gott, wie ihm die Händchen glühen!</l><lb/>
                <l>Er träumt &#x017F;o &#x017F;chwer.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="9">
                <l>Sie rückt das Kind an ihrer Seiten,</l><lb/>
                <l>Den Knaben dicht zu &#x017F;ich heran,</l><lb/>
                <l>Läßt durch &#x017F;ein Haar die Finger gleiten,</l><lb/>
                <l>Es hangen Schweißes Tropfen dran;</l><lb/>
                <l>Er&#x017F;chrocken öffnet &#x017F;ie das Aug&#x2019;,</l><lb/>
                <l>Will nach dem Fen&#x017F;tergla&#x017F;e &#x017F;chauen,</l><lb/>
                <l>Da eben &#x017F;teigt das Morgengrauen,</l><lb/>
                <l>Ein trüber Rauch.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="10">
                <l>Vom Lager fährt die Mutter, bebend</l><lb/>
                <l>Hat &#x017F;ie der Lampe Docht gehellt,</l><lb/>
                <l>Als &#x017F;achte über&#x2019;m Lailach &#x017F;chwebend</l><lb/>
                <l>Ein Epheublatt zu Boden fällt.</l><lb/>
                <l>Das Glück! das i&#x017F;t des Glückes Spur?</l><lb/>
                <l>Doch nein! &#x2014; &#x017F;ie pflückt es ja dem Kinde,</l><lb/>
                <l>Und dort na&#x017F;cht an der Semmelrinde</l><lb/>
                <l>Die Ratte nur.</l>
              </lg><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0100] Sie horcht und horcht — das war ein Schlüpfen! Doch nein — der Wind die Föhren ſchwellt, Und das — am Flur ein ſchwaches Hüpfen, Wie wenn zum Grund die Krume fällt! „Eugene, was wirfſt du dich umher, Was ſoll denn das Gedehn’ und Ziehen? Mein Gott, wie ihm die Händchen glühen! Er träumt ſo ſchwer. Sie rückt das Kind an ihrer Seiten, Den Knaben dicht zu ſich heran, Läßt durch ſein Haar die Finger gleiten, Es hangen Schweißes Tropfen dran; Erſchrocken öffnet ſie das Aug’, Will nach dem Fenſterglaſe ſchauen, Da eben ſteigt das Morgengrauen, Ein trüber Rauch. Vom Lager fährt die Mutter, bebend Hat ſie der Lampe Docht gehellt, Als ſachte über’m Lailach ſchwebend Ein Epheublatt zu Boden fällt. Das Glück! das iſt des Glückes Spur? Doch nein! — ſie pflückt es ja dem Kinde, Und dort naſcht an der Semmelrinde Die Ratte nur.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/100
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/100>, abgerufen am 23.11.2024.