Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.aus Mitleid als Vorsicht. Aber Friedrich trat vor: Lumpenhund! rief er; ein paar derbe Maulschellen trafen den geduldigen Schützling; dann stieß er ihn an die Thür und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt mit auf den Weg. Er kehrte niedergeschlagen zurück; seine Würde war verletzt, das allgemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele, ob er sich gleich durch einen tapfern Juchheschrei wieder in den Gang zu bringen suchte, -- es wollte nicht mehr recht gehen. Er war im Begriff, sich wieder hinter die Baßviole zu flüchten; doch zuvor noch ein Knalleffect: er zog seine silberne Taschenuhr hervor, zu jener Zeit ein seltener und kostbarer Schmuck. Es ist bald zehn, sagte er. Jetzt den Brautmenuet! ich will Musik machen. Eine prächtige Uhr! sagte der Schweinehirt und schob sein Gesicht in ehrfurchtsvoller Neugier vor. Was hat sie gekostet? rief Wilm Hülsmeyer, Friedrichs Nebenbuhler. -- Willst du sie bezahlen? fragte Friedrich. -- Hast du sie bezahlt? antwortete Wilm. Friedrich warf einen stolzen Blick auf ihn und griff in schweigender Majestät zum Fidelbogen. -- Nun, nun, sagte Hülsmeyer, dergleichen hat man erlebt. Du weißt wohl, der Franz Ebel hatte auch eine schöne Uhr, bis der Jude Aaron sie ihm wieder abnahm. -- Friedrich antwortete nicht, sondern winkte stolz der ersten Violine, und sie begannen aus Leibeskräften zu streichen. Die Gutsherrschaft war indessen in die Kammer aus Mitleid als Vorsicht. Aber Friedrich trat vor: Lumpenhund! rief er; ein paar derbe Maulschellen trafen den geduldigen Schützling; dann stieß er ihn an die Thür und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt mit auf den Weg. Er kehrte niedergeschlagen zurück; seine Würde war verletzt, das allgemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele, ob er sich gleich durch einen tapfern Juchheschrei wieder in den Gang zu bringen suchte, — es wollte nicht mehr recht gehen. Er war im Begriff, sich wieder hinter die Baßviole zu flüchten; doch zuvor noch ein Knalleffect: er zog seine silberne Taschenuhr hervor, zu jener Zeit ein seltener und kostbarer Schmuck. Es ist bald zehn, sagte er. Jetzt den Brautmenuet! ich will Musik machen. Eine prächtige Uhr! sagte der Schweinehirt und schob sein Gesicht in ehrfurchtsvoller Neugier vor. Was hat sie gekostet? rief Wilm Hülsmeyer, Friedrichs Nebenbuhler. — Willst du sie bezahlen? fragte Friedrich. — Hast du sie bezahlt? antwortete Wilm. Friedrich warf einen stolzen Blick auf ihn und griff in schweigender Majestät zum Fidelbogen. — Nun, nun, sagte Hülsmeyer, dergleichen hat man erlebt. Du weißt wohl, der Franz Ebel hatte auch eine schöne Uhr, bis der Jude Aaron sie ihm wieder abnahm. — Friedrich antwortete nicht, sondern winkte stolz der ersten Violine, und sie begannen aus Leibeskräften zu streichen. Die Gutsherrschaft war indessen in die Kammer <TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0054"/> aus Mitleid als Vorsicht. Aber Friedrich trat vor: Lumpenhund! rief er; ein paar derbe Maulschellen trafen den geduldigen Schützling; dann stieß er ihn an die Thür und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt mit auf den Weg. Er kehrte niedergeschlagen zurück; seine Würde war verletzt, das allgemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele, ob er sich gleich durch einen tapfern Juchheschrei wieder in den Gang zu bringen suchte, — es wollte nicht mehr recht gehen. Er war im Begriff, sich wieder hinter die Baßviole zu flüchten; doch zuvor noch ein Knalleffect: er zog seine silberne Taschenuhr hervor, zu jener Zeit ein seltener und kostbarer Schmuck. Es ist bald zehn, sagte er. Jetzt den Brautmenuet! ich will Musik machen.</p><lb/> <p>Eine prächtige Uhr! sagte der Schweinehirt und schob sein Gesicht in ehrfurchtsvoller Neugier vor.</p><lb/> <p>Was hat sie gekostet? rief Wilm Hülsmeyer, Friedrichs Nebenbuhler. — Willst du sie bezahlen? fragte Friedrich. — Hast du sie bezahlt? antwortete Wilm. Friedrich warf einen stolzen Blick auf ihn und griff in schweigender Majestät zum Fidelbogen. — Nun, nun, sagte Hülsmeyer, dergleichen hat man erlebt. Du weißt wohl, der Franz Ebel hatte auch eine schöne Uhr, bis der Jude Aaron sie ihm wieder abnahm. — Friedrich antwortete nicht, sondern winkte stolz der ersten Violine, und sie begannen aus Leibeskräften zu streichen.</p><lb/> <p>Die Gutsherrschaft war indessen in die Kammer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
aus Mitleid als Vorsicht. Aber Friedrich trat vor: Lumpenhund! rief er; ein paar derbe Maulschellen trafen den geduldigen Schützling; dann stieß er ihn an die Thür und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt mit auf den Weg. Er kehrte niedergeschlagen zurück; seine Würde war verletzt, das allgemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele, ob er sich gleich durch einen tapfern Juchheschrei wieder in den Gang zu bringen suchte, — es wollte nicht mehr recht gehen. Er war im Begriff, sich wieder hinter die Baßviole zu flüchten; doch zuvor noch ein Knalleffect: er zog seine silberne Taschenuhr hervor, zu jener Zeit ein seltener und kostbarer Schmuck. Es ist bald zehn, sagte er. Jetzt den Brautmenuet! ich will Musik machen.
Eine prächtige Uhr! sagte der Schweinehirt und schob sein Gesicht in ehrfurchtsvoller Neugier vor.
Was hat sie gekostet? rief Wilm Hülsmeyer, Friedrichs Nebenbuhler. — Willst du sie bezahlen? fragte Friedrich. — Hast du sie bezahlt? antwortete Wilm. Friedrich warf einen stolzen Blick auf ihn und griff in schweigender Majestät zum Fidelbogen. — Nun, nun, sagte Hülsmeyer, dergleichen hat man erlebt. Du weißt wohl, der Franz Ebel hatte auch eine schöne Uhr, bis der Jude Aaron sie ihm wieder abnahm. — Friedrich antwortete nicht, sondern winkte stolz der ersten Violine, und sie begannen aus Leibeskräften zu streichen.
Die Gutsherrschaft war indessen in die Kammer
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