Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sollen leben und alle die hochadeligen Prinzen und Prinzessinnen, und wer's nicht mittrinkt, den will ich an die Ohren schlagen, daß er die Engel singen hört! Ein lautes Vivat beantwortete den galanten Toast. -- Friedrich machte seinen Bückling. -- Nichts für ungut, gnädige Herrschaften; wir sind nur ungelehrte Bauersleute! In diesem Augenblick erhob sich ein Getümmel am Ende der Tenne, Geschrei, Schelten, Gelächter, alles durcheinander. Butterdieb, Butterdieb! riefen ein paar Kinder, und heran drängte sich, oder vielmehr ward geschoben, Johannes Niemand, den Kopf zwischen die Schultern ziehend und mit aller Macht nach dem Ausgange strebend. -- Was ist's? was habt ihr mit unserm Johannes? rief Friedrich gebieterisch. Das sollt Ihr früh genug gewahr werden, keuchte ein altes Weib mit der Küchenschürze und einem Wischhader in der Hand. -- Schande! Johannes, der arme Teufel, dem zu Hause das Schlechteste gut genug sein mußte, hatte versucht, sich ein halbes Pfündchen Butter für die kommende Dürre zu sichern, und ohne daran zu denken, daß er es, sauber in sein Schnupftuch gewickelt, in der Tasche geborgen, war er ans Küchenfeuer getreten, und nun rann das Fett schmählich die Rockschöße entlang. Allgemeiner Aufruhr; die Mädchen sprangen zurück, aus Furcht, sich zu beschmutzen, oder stießen den Delinquenten vorwärts. Andere machten Platz, sowohl sollen leben und alle die hochadeligen Prinzen und Prinzessinnen, und wer's nicht mittrinkt, den will ich an die Ohren schlagen, daß er die Engel singen hört! Ein lautes Vivat beantwortete den galanten Toast. — Friedrich machte seinen Bückling. — Nichts für ungut, gnädige Herrschaften; wir sind nur ungelehrte Bauersleute! In diesem Augenblick erhob sich ein Getümmel am Ende der Tenne, Geschrei, Schelten, Gelächter, alles durcheinander. Butterdieb, Butterdieb! riefen ein paar Kinder, und heran drängte sich, oder vielmehr ward geschoben, Johannes Niemand, den Kopf zwischen die Schultern ziehend und mit aller Macht nach dem Ausgange strebend. — Was ist's? was habt ihr mit unserm Johannes? rief Friedrich gebieterisch. Das sollt Ihr früh genug gewahr werden, keuchte ein altes Weib mit der Küchenschürze und einem Wischhader in der Hand. — Schande! Johannes, der arme Teufel, dem zu Hause das Schlechteste gut genug sein mußte, hatte versucht, sich ein halbes Pfündchen Butter für die kommende Dürre zu sichern, und ohne daran zu denken, daß er es, sauber in sein Schnupftuch gewickelt, in der Tasche geborgen, war er ans Küchenfeuer getreten, und nun rann das Fett schmählich die Rockschöße entlang. Allgemeiner Aufruhr; die Mädchen sprangen zurück, aus Furcht, sich zu beschmutzen, oder stießen den Delinquenten vorwärts. Andere machten Platz, sowohl <TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0053"/> sollen leben und alle die hochadeligen Prinzen und Prinzessinnen, und wer's nicht mittrinkt, den will ich an die Ohren schlagen, daß er die Engel singen hört! Ein lautes Vivat beantwortete den galanten Toast. — Friedrich machte seinen Bückling. — Nichts für ungut, gnädige Herrschaften; wir sind nur ungelehrte Bauersleute!</p><lb/> <p>In diesem Augenblick erhob sich ein Getümmel am Ende der Tenne, Geschrei, Schelten, Gelächter, alles durcheinander. Butterdieb, Butterdieb! riefen ein paar Kinder, und heran drängte sich, oder vielmehr ward geschoben, Johannes Niemand, den Kopf zwischen die Schultern ziehend und mit aller Macht nach dem Ausgange strebend. — Was ist's? was habt ihr mit unserm Johannes? rief Friedrich gebieterisch.</p><lb/> <p>Das sollt Ihr früh genug gewahr werden, keuchte ein altes Weib mit der Küchenschürze und einem Wischhader in der Hand. — Schande! Johannes, der arme Teufel, dem zu Hause das Schlechteste gut genug sein mußte, hatte versucht, sich ein halbes Pfündchen Butter für die kommende Dürre zu sichern, und ohne daran zu denken, daß er es, sauber in sein Schnupftuch gewickelt, in der Tasche geborgen, war er ans Küchenfeuer getreten, und nun rann das Fett schmählich die Rockschöße entlang.</p><lb/> <p>Allgemeiner Aufruhr; die Mädchen sprangen zurück, aus Furcht, sich zu beschmutzen, oder stießen den Delinquenten vorwärts. Andere machten Platz, sowohl<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
sollen leben und alle die hochadeligen Prinzen und Prinzessinnen, und wer's nicht mittrinkt, den will ich an die Ohren schlagen, daß er die Engel singen hört! Ein lautes Vivat beantwortete den galanten Toast. — Friedrich machte seinen Bückling. — Nichts für ungut, gnädige Herrschaften; wir sind nur ungelehrte Bauersleute!
In diesem Augenblick erhob sich ein Getümmel am Ende der Tenne, Geschrei, Schelten, Gelächter, alles durcheinander. Butterdieb, Butterdieb! riefen ein paar Kinder, und heran drängte sich, oder vielmehr ward geschoben, Johannes Niemand, den Kopf zwischen die Schultern ziehend und mit aller Macht nach dem Ausgange strebend. — Was ist's? was habt ihr mit unserm Johannes? rief Friedrich gebieterisch.
Das sollt Ihr früh genug gewahr werden, keuchte ein altes Weib mit der Küchenschürze und einem Wischhader in der Hand. — Schande! Johannes, der arme Teufel, dem zu Hause das Schlechteste gut genug sein mußte, hatte versucht, sich ein halbes Pfündchen Butter für die kommende Dürre zu sichern, und ohne daran zu denken, daß er es, sauber in sein Schnupftuch gewickelt, in der Tasche geborgen, war er ans Küchenfeuer getreten, und nun rann das Fett schmählich die Rockschöße entlang.
Allgemeiner Aufruhr; die Mädchen sprangen zurück, aus Furcht, sich zu beschmutzen, oder stießen den Delinquenten vorwärts. Andere machten Platz, sowohl
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Zitationshilfe: | Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/53>, abgerufen am 16.02.2025. |