Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.einige Minuten hinaus; als sie zurückkam, war Friedrich bereits angekleidet. -- Was fällt dir ein? rief sie, du kannst, du sollst nicht gehen! -- Was sein muß, schickt sich wohl, versetzte er und war schon zur Thüre hinaus mit Johannes. -- Ach Gott, seufzte die Mutter, wenn die Kinder klein sind, treten sie uns in den Schooß, und wenn sie groß sind, ins Herz. Die gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang genommen, die That lag klar am Tage; über den Thäter aber waren die Anzeigen so schwach, daß, obschon alle Umstände die Blaukittel dringend verdächtigten, man doch nicht mehr als Muthmaßungen wagen konnte. Eine Spur schien Licht geben zu wollen, doch rechnete man aus Gründen wenig darauf. Die Abwesenheit des Gutsherrn hatte den Gerichtsschreiber genöthigt, auf eigene Hand die Sache einzuleiten. Er saß am Tische; die Stube war gedrängt voll von Bauern, theils neugierigen, theils solchen, von denen man in Ermangelung eigentlicher Zeugen einigen Aufschluß zu erhalten hoffte. Hirten, die in derselben Nacht gehütet, Knechte, die den Acker in der Nähe bestellt, Alle standen stramm und fest, die Hände in den Taschen, gleichsam als stillschweigende Erklärung, daß sie nicht einzuschreiten gesonnen seien. Acht Forstbeamten wurden vernommen. Ihre Aussagen waren völlig gleichlautend: Brandes habe sie am zehenten Abends zur Runde bestellt, da ihm von einem Vorhaben der Blaukittel müsse Kunde zugekommen sein; einige Minuten hinaus; als sie zurückkam, war Friedrich bereits angekleidet. — Was fällt dir ein? rief sie, du kannst, du sollst nicht gehen! — Was sein muß, schickt sich wohl, versetzte er und war schon zur Thüre hinaus mit Johannes. — Ach Gott, seufzte die Mutter, wenn die Kinder klein sind, treten sie uns in den Schooß, und wenn sie groß sind, ins Herz. Die gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang genommen, die That lag klar am Tage; über den Thäter aber waren die Anzeigen so schwach, daß, obschon alle Umstände die Blaukittel dringend verdächtigten, man doch nicht mehr als Muthmaßungen wagen konnte. Eine Spur schien Licht geben zu wollen, doch rechnete man aus Gründen wenig darauf. Die Abwesenheit des Gutsherrn hatte den Gerichtsschreiber genöthigt, auf eigene Hand die Sache einzuleiten. Er saß am Tische; die Stube war gedrängt voll von Bauern, theils neugierigen, theils solchen, von denen man in Ermangelung eigentlicher Zeugen einigen Aufschluß zu erhalten hoffte. Hirten, die in derselben Nacht gehütet, Knechte, die den Acker in der Nähe bestellt, Alle standen stramm und fest, die Hände in den Taschen, gleichsam als stillschweigende Erklärung, daß sie nicht einzuschreiten gesonnen seien. Acht Forstbeamten wurden vernommen. Ihre Aussagen waren völlig gleichlautend: Brandes habe sie am zehenten Abends zur Runde bestellt, da ihm von einem Vorhaben der Blaukittel müsse Kunde zugekommen sein; <TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0043"/> einige Minuten hinaus; als sie zurückkam, war Friedrich bereits angekleidet. — Was fällt dir ein? rief sie, du kannst, du sollst nicht gehen! — Was sein muß, schickt sich wohl, versetzte er und war schon zur Thüre hinaus mit Johannes. — Ach Gott, seufzte die Mutter, wenn die Kinder klein sind, treten sie uns in den Schooß, und wenn sie groß sind, ins Herz.</p><lb/> <p>Die gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang genommen, die That lag klar am Tage; über den Thäter aber waren die Anzeigen so schwach, daß, obschon alle Umstände die Blaukittel dringend verdächtigten, man doch nicht mehr als Muthmaßungen wagen konnte. Eine Spur schien Licht geben zu wollen, doch rechnete man aus Gründen wenig darauf. Die Abwesenheit des Gutsherrn hatte den Gerichtsschreiber genöthigt, auf eigene Hand die Sache einzuleiten. Er saß am Tische; die Stube war gedrängt voll von Bauern, theils neugierigen, theils solchen, von denen man in Ermangelung eigentlicher Zeugen einigen Aufschluß zu erhalten hoffte. Hirten, die in derselben Nacht gehütet, Knechte, die den Acker in der Nähe bestellt, Alle standen stramm und fest, die Hände in den Taschen, gleichsam als stillschweigende Erklärung, daß sie nicht einzuschreiten gesonnen seien.</p><lb/> <p>Acht Forstbeamten wurden vernommen. Ihre Aussagen waren völlig gleichlautend: Brandes habe sie am zehenten Abends zur Runde bestellt, da ihm von einem Vorhaben der Blaukittel müsse Kunde zugekommen sein;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0043]
einige Minuten hinaus; als sie zurückkam, war Friedrich bereits angekleidet. — Was fällt dir ein? rief sie, du kannst, du sollst nicht gehen! — Was sein muß, schickt sich wohl, versetzte er und war schon zur Thüre hinaus mit Johannes. — Ach Gott, seufzte die Mutter, wenn die Kinder klein sind, treten sie uns in den Schooß, und wenn sie groß sind, ins Herz.
Die gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang genommen, die That lag klar am Tage; über den Thäter aber waren die Anzeigen so schwach, daß, obschon alle Umstände die Blaukittel dringend verdächtigten, man doch nicht mehr als Muthmaßungen wagen konnte. Eine Spur schien Licht geben zu wollen, doch rechnete man aus Gründen wenig darauf. Die Abwesenheit des Gutsherrn hatte den Gerichtsschreiber genöthigt, auf eigene Hand die Sache einzuleiten. Er saß am Tische; die Stube war gedrängt voll von Bauern, theils neugierigen, theils solchen, von denen man in Ermangelung eigentlicher Zeugen einigen Aufschluß zu erhalten hoffte. Hirten, die in derselben Nacht gehütet, Knechte, die den Acker in der Nähe bestellt, Alle standen stramm und fest, die Hände in den Taschen, gleichsam als stillschweigende Erklärung, daß sie nicht einzuschreiten gesonnen seien.
Acht Forstbeamten wurden vernommen. Ihre Aussagen waren völlig gleichlautend: Brandes habe sie am zehenten Abends zur Runde bestellt, da ihm von einem Vorhaben der Blaukittel müsse Kunde zugekommen sein;
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Zitationshilfe: | Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/43>, abgerufen am 16.07.2024. |