Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Vater gefunden, als er in der Betrunkenheit ohne Buße und Oelung zum Teufel gefahren war. -- Ohm, Ohm! keuchte Friedrich. -- Was fällt dir ein? Du wirst dich doch nicht fürchten? Satan von einem Jungen, du kneipst mir den Arm! laß los, los! -- Er suchte den Knaben abzuschütteln. Dein Vater war übrigens eine gute Seele; Gott wird's nicht so genau mit ihm nehmen. Ich hatte ihn so lieb, wie meinen eigenen Bruder. -- Friedrich ließ den Arm seines Ohms los; beide legten schweigend den übrigen Theil des Waldes zurück, und das Dorf Brede lag vor ihnen, mit seinen Lehmhütten und den einzelnen besseren Wohnungen, zu denen auch Simon's Haus gehörte. Am nächsten Abend saß Margreth schon seit einer Stunde mit ihrem Rocken vor der Thür und wartete auf ihren Knaben. Es war die erste Nacht, die sie zugebracht hatte, ohne den Athem ihres Kindes neben sich zu hören, und Friedrich kam noch immer nicht. Sie war ärgerlich und ängstlich, und wußte, daß sie beides ohne Grund war. Die Uhr im Thurm schlug sieben, das Vieh kehrte heim; er war noch immer nicht da, und sie mußte aufstehen, um nach den Kühen zu schauen. Als sie wieder in die dunkle Küche trat, stand Friedrich am Herde; er hatte sich vorn übergebeugt und wärmte die Hände an den Kohlen. Der Schein spielte auf seinen Zügen und gab ihnen ein widriges Ansehen von Magerkeit und ängstlichem Zucken. Mar- Vater gefunden, als er in der Betrunkenheit ohne Buße und Oelung zum Teufel gefahren war. — Ohm, Ohm! keuchte Friedrich. — Was fällt dir ein? Du wirst dich doch nicht fürchten? Satan von einem Jungen, du kneipst mir den Arm! laß los, los! — Er suchte den Knaben abzuschütteln. Dein Vater war übrigens eine gute Seele; Gott wird's nicht so genau mit ihm nehmen. Ich hatte ihn so lieb, wie meinen eigenen Bruder. — Friedrich ließ den Arm seines Ohms los; beide legten schweigend den übrigen Theil des Waldes zurück, und das Dorf Brede lag vor ihnen, mit seinen Lehmhütten und den einzelnen besseren Wohnungen, zu denen auch Simon's Haus gehörte. Am nächsten Abend saß Margreth schon seit einer Stunde mit ihrem Rocken vor der Thür und wartete auf ihren Knaben. Es war die erste Nacht, die sie zugebracht hatte, ohne den Athem ihres Kindes neben sich zu hören, und Friedrich kam noch immer nicht. Sie war ärgerlich und ängstlich, und wußte, daß sie beides ohne Grund war. Die Uhr im Thurm schlug sieben, das Vieh kehrte heim; er war noch immer nicht da, und sie mußte aufstehen, um nach den Kühen zu schauen. Als sie wieder in die dunkle Küche trat, stand Friedrich am Herde; er hatte sich vorn übergebeugt und wärmte die Hände an den Kohlen. Der Schein spielte auf seinen Zügen und gab ihnen ein widriges Ansehen von Magerkeit und ängstlichem Zucken. Mar- <TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0025"/> Vater gefunden, als er in der Betrunkenheit ohne Buße und Oelung zum Teufel gefahren war. — Ohm, Ohm! keuchte Friedrich. — Was fällt dir ein? Du wirst dich doch nicht fürchten? Satan von einem Jungen, du kneipst mir den Arm! laß los, los! — Er suchte den Knaben abzuschütteln. Dein Vater war übrigens eine gute Seele; Gott wird's nicht so genau mit ihm nehmen. Ich hatte ihn so lieb, wie meinen eigenen Bruder. — Friedrich ließ den Arm seines Ohms los; beide legten schweigend den übrigen Theil des Waldes zurück, und das Dorf Brede lag vor ihnen, mit seinen Lehmhütten und den einzelnen besseren Wohnungen, zu denen auch Simon's Haus gehörte.</p><lb/> <p>Am nächsten Abend saß Margreth schon seit einer Stunde mit ihrem Rocken vor der Thür und wartete auf ihren Knaben. Es war die erste Nacht, die sie zugebracht hatte, ohne den Athem ihres Kindes neben sich zu hören, und Friedrich kam noch immer nicht. Sie war ärgerlich und ängstlich, und wußte, daß sie beides ohne Grund war. Die Uhr im Thurm schlug sieben, das Vieh kehrte heim; er war noch immer nicht da, und sie mußte aufstehen, um nach den Kühen zu schauen.</p><lb/> <p>Als sie wieder in die dunkle Küche trat, stand Friedrich am Herde; er hatte sich vorn übergebeugt und wärmte die Hände an den Kohlen. Der Schein spielte auf seinen Zügen und gab ihnen ein widriges Ansehen von Magerkeit und ängstlichem Zucken. Mar-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
Vater gefunden, als er in der Betrunkenheit ohne Buße und Oelung zum Teufel gefahren war. — Ohm, Ohm! keuchte Friedrich. — Was fällt dir ein? Du wirst dich doch nicht fürchten? Satan von einem Jungen, du kneipst mir den Arm! laß los, los! — Er suchte den Knaben abzuschütteln. Dein Vater war übrigens eine gute Seele; Gott wird's nicht so genau mit ihm nehmen. Ich hatte ihn so lieb, wie meinen eigenen Bruder. — Friedrich ließ den Arm seines Ohms los; beide legten schweigend den übrigen Theil des Waldes zurück, und das Dorf Brede lag vor ihnen, mit seinen Lehmhütten und den einzelnen besseren Wohnungen, zu denen auch Simon's Haus gehörte.
Am nächsten Abend saß Margreth schon seit einer Stunde mit ihrem Rocken vor der Thür und wartete auf ihren Knaben. Es war die erste Nacht, die sie zugebracht hatte, ohne den Athem ihres Kindes neben sich zu hören, und Friedrich kam noch immer nicht. Sie war ärgerlich und ängstlich, und wußte, daß sie beides ohne Grund war. Die Uhr im Thurm schlug sieben, das Vieh kehrte heim; er war noch immer nicht da, und sie mußte aufstehen, um nach den Kühen zu schauen.
Als sie wieder in die dunkle Küche trat, stand Friedrich am Herde; er hatte sich vorn übergebeugt und wärmte die Hände an den Kohlen. Der Schein spielte auf seinen Zügen und gab ihnen ein widriges Ansehen von Magerkeit und ängstlichem Zucken. Mar-
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Zitationshilfe: | Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/25>, abgerufen am 16.07.2024. |