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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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"Ihr Kinder, haltet euch bei Haus,
Lauft ja nicht in das Bruch hinaus;
Seht, wie bereits der Dorn ergraut,
Die Drossel ächzt zum Nest hinaus,
Der Haidemann braut! --"
Man sieht des Hirten Pfeife glimmen,
Und vor ihm her die Heerde schwimmen,
Wie Proteus seine Robbenschaaren
Heimschwemmt im grauen Ocean.
Am Dach die Schwalben zwitschernd fahren
Und melancholisch kräht der Hahn.
"Ihr Kinder, bleibt am Hofe dicht,
Seht, wie die feuchte Nebelschicht
Schon an des Pförtchens Klinke reicht;
Am Grunde schwimmt ein falsches Licht,
Der Haidemann steigt! --"
Nun strecken nur der Föhren Wipfel
Noch aus dem Dunste grüne Gipfel,
Wie über'n Schnee Wacholderbüsche;
Ein leises Brodeln quillt im Moor,
Ein schwaches Schrillen, ein Gezische
Dringt aus der Niederung hervor.
"Ihr Kinder, kommt, kommt schnell herein,
Das Irrlicht zündet seinen Schein,
Die Kröte schwillt, die Schlang im Ried;
Jetzt ist's unheimlich draußen seyn,
Der Haidemann zieht! --"
„Ihr Kinder, haltet euch bei Haus,
Lauft ja nicht in das Bruch hinaus;
Seht, wie bereits der Dorn ergraut,
Die Droſſel ächzt zum Neſt hinaus,
Der Haidemann braut! —“
Man ſieht des Hirten Pfeife glimmen,
Und vor ihm her die Heerde ſchwimmen,
Wie Proteus ſeine Robbenſchaaren
Heimſchwemmt im grauen Ocean.
Am Dach die Schwalben zwitſchernd fahren
Und melancholiſch kräht der Hahn.
„Ihr Kinder, bleibt am Hofe dicht,
Seht, wie die feuchte Nebelſchicht
Schon an des Pförtchens Klinke reicht;
Am Grunde ſchwimmt ein falſches Licht,
Der Haidemann ſteigt! —“
Nun ſtrecken nur der Föhren Wipfel
Noch aus dem Dunſte grüne Gipfel,
Wie über'n Schnee Wacholderbüſche;
Ein leiſes Brodeln quillt im Moor,
Ein ſchwaches Schrillen, ein Geziſche
Dringt aus der Niederung hervor.
„Ihr Kinder, kommt, kommt ſchnell herein,
Das Irrlicht zündet ſeinen Schein,
Die Kröte ſchwillt, die Schlang im Ried;
Jetzt iſt's unheimlich draußen ſeyn,
Der Haidemann zieht! —“
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[75/0089] „Ihr Kinder, haltet euch bei Haus, Lauft ja nicht in das Bruch hinaus; Seht, wie bereits der Dorn ergraut, Die Droſſel ächzt zum Neſt hinaus, Der Haidemann braut! —“ Man ſieht des Hirten Pfeife glimmen, Und vor ihm her die Heerde ſchwimmen, Wie Proteus ſeine Robbenſchaaren Heimſchwemmt im grauen Ocean. Am Dach die Schwalben zwitſchernd fahren Und melancholiſch kräht der Hahn. „Ihr Kinder, bleibt am Hofe dicht, Seht, wie die feuchte Nebelſchicht Schon an des Pförtchens Klinke reicht; Am Grunde ſchwimmt ein falſches Licht, Der Haidemann ſteigt! —“ Nun ſtrecken nur der Föhren Wipfel Noch aus dem Dunſte grüne Gipfel, Wie über'n Schnee Wacholderbüſche; Ein leiſes Brodeln quillt im Moor, Ein ſchwaches Schrillen, ein Geziſche Dringt aus der Niederung hervor. „Ihr Kinder, kommt, kommt ſchnell herein, Das Irrlicht zündet ſeinen Schein, Die Kröte ſchwillt, die Schlang im Ried; Jetzt iſt's unheimlich draußen ſeyn, Der Haidemann zieht! —“

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/89>, abgerufen am 28.12.2024.