Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Weiher.
Er liegt so still im Morgenlicht,
So friedlich, wie ein fromm Gewissen;
Wenn Weste seinen Spiegel küssen,
Des Ufers Blume fühlt es nicht;
Libellen zittern über ihn,
Blaugoldne Stäbchen und Karmin,
Und auf des Sonnenbildes Glanz
Die Wasserspinne führt den Tanz;
Schwertlilienkranz am Ufer steht
Und horcht des Schilfes Schlummerliede;
Ein lindes Säuseln kommt und geht,
Als flüstr' es: Friede! Friede! Friede! --
Das Schilf.
Stille, er schläft, stille! stille!
Libelle, reg' die Schwingen sacht,
Daß nicht das Goldgewebe schrille,
Und, Ufergrün, hab' gute Wacht,
Kein Kieselchen lass' niederfallen.
Er schläft auf seinem Wolkenflaum,
Und über ihn läßt säuselnd wallen
Das Laubgewölb der alte Baum;
Hoch oben, wo die Sonne glüht,
Wieget der Vogel seine Flügel,
Und wie ein schlüpfend Fischlein zieht
Sein Schatten durch des Teiches Spiegel.
Der Weiher.
Er liegt ſo ſtill im Morgenlicht,
So friedlich, wie ein fromm Gewiſſen;
Wenn Weſte ſeinen Spiegel küſſen,
Des Ufers Blume fühlt es nicht;
Libellen zittern über ihn,
Blaugoldne Stäbchen und Karmin,
Und auf des Sonnenbildes Glanz
Die Waſſerſpinne führt den Tanz;
Schwertlilienkranz am Ufer ſteht
Und horcht des Schilfes Schlummerliede;
Ein lindes Säuſeln kommt und geht,
Als flüſtr' es: Friede! Friede! Friede! —
Das Schilf.
Stille, er ſchläft, ſtille! ſtille!
Libelle, reg' die Schwingen ſacht,
Daß nicht das Goldgewebe ſchrille,
Und, Ufergrün, hab' gute Wacht,
Kein Kieſelchen laſſ' niederfallen.
Er ſchläft auf ſeinem Wolkenflaum,
Und über ihn läßt ſäuſelnd wallen
Das Laubgewölb der alte Baum;
Hoch oben, wo die Sonne glüht,
Wieget der Vogel ſeine Flügel,
Und wie ein ſchlüpfend Fiſchlein zieht
Sein Schatten durch des Teiches Spiegel.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0065" n="51"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der Weiher.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <l>Er liegt &#x017F;o &#x017F;till im Morgenlicht,</l><lb/>
            <l>So friedlich, wie ein fromm Gewi&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Wenn We&#x017F;te &#x017F;einen Spiegel kü&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Des Ufers Blume fühlt es nicht;</l><lb/>
            <l>Libellen zittern über ihn,</l><lb/>
            <l>Blaugoldne Stäbchen und Karmin,</l><lb/>
            <l>Und auf des Sonnenbildes Glanz</l><lb/>
            <l>Die Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;pinne führt den Tanz;</l><lb/>
            <l>Schwertlilienkranz am Ufer &#x017F;teht</l><lb/>
            <l>Und horcht des Schilfes Schlummerliede;</l><lb/>
            <l>Ein lindes Säu&#x017F;eln kommt und geht,</l><lb/>
            <l>Als flü&#x017F;tr' es: Friede! Friede! Friede! &#x2014;</l><lb/>
          </lg>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Das Schilf</hi>.<lb/></head>
            <lg type="poem">
              <l>Stille, er &#x017F;chläft, &#x017F;tille! &#x017F;tille!</l><lb/>
              <l>Libelle, reg' die Schwingen &#x017F;acht,</l><lb/>
              <l>Daß nicht das Goldgewebe &#x017F;chrille,</l><lb/>
              <l>Und, Ufergrün, hab' gute Wacht,</l><lb/>
              <l>Kein Kie&#x017F;elchen la&#x017F;&#x017F;' niederfallen.</l><lb/>
              <l>Er &#x017F;chläft auf &#x017F;einem Wolkenflaum,</l><lb/>
              <l>Und über ihn läßt &#x017F;äu&#x017F;elnd wallen</l><lb/>
              <l>Das Laubgewölb der alte Baum;</l><lb/>
              <l>Hoch oben, wo die Sonne glüht,</l><lb/>
              <l>Wieget der Vogel &#x017F;eine Flügel,</l><lb/>
              <l>Und wie ein &#x017F;chlüpfend Fi&#x017F;chlein zieht</l><lb/>
              <l>Sein Schatten durch des Teiches Spiegel.</l><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0065] Der Weiher. Er liegt ſo ſtill im Morgenlicht, So friedlich, wie ein fromm Gewiſſen; Wenn Weſte ſeinen Spiegel küſſen, Des Ufers Blume fühlt es nicht; Libellen zittern über ihn, Blaugoldne Stäbchen und Karmin, Und auf des Sonnenbildes Glanz Die Waſſerſpinne führt den Tanz; Schwertlilienkranz am Ufer ſteht Und horcht des Schilfes Schlummerliede; Ein lindes Säuſeln kommt und geht, Als flüſtr' es: Friede! Friede! Friede! — Das Schilf. Stille, er ſchläft, ſtille! ſtille! Libelle, reg' die Schwingen ſacht, Daß nicht das Goldgewebe ſchrille, Und, Ufergrün, hab' gute Wacht, Kein Kieſelchen laſſ' niederfallen. Er ſchläft auf ſeinem Wolkenflaum, Und über ihn läßt ſäuſelnd wallen Das Laubgewölb der alte Baum; Hoch oben, wo die Sonne glüht, Wieget der Vogel ſeine Flügel, Und wie ein ſchlüpfend Fiſchlein zieht Sein Schatten durch des Teiches Spiegel.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/65
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/65>, abgerufen am 21.11.2024.