Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Wenn Schimmer wechseln, weiß und seladonen;
Die weite Eb'ne schaukelt wie ein Schiff,
Hindurch der Kibitz schrillt, wie Halcyonen
Wehklagend ziehen um das Riff.
Am Horizont die kolossalen Brücken --
Sind's Wolken oder ist's ein ferner Wald?
Ich will den Schemel an die Luke rücken,
Da liegt mein Hut, mein Hammer, -- halt:
Ein Teller am Gestell! -- was mag er bieten?
Fundus! bei Gott, ein Fund das Backwerk drin!
Für einen armen Hund von Eremiten,
Wie ich es leider heute bin!
Ein seid'ner Beutel noch -- am Bort zerrissen;
Ich greife, greife Rundes mit der Hand;
Weh! in die dürre Erbs' hab ich gebissen --
Ich dacht', es seye Zuckerkand.
Und nun die Tasche! he, wir müssen klopfen --
Vielleicht liegt ein Gefang'ner hier in Haft;
Da -- eine Flasche! schnell herab den Pfropfen --
Ist's Wasser? Wasser? -- edler Rebensaft!
Und Edlerer, der ihn dem Sack vertraute,
Splendid barmherziger Wildhüter du,
Für einen armen Schelm, der Erbsen kaute,
Den frommen Bruder Tuck im Ivanhoe!
Wenn Schimmer wechſeln, weiß und ſeladonen;
Die weite Eb'ne ſchaukelt wie ein Schiff,
Hindurch der Kibitz ſchrillt, wie Halcyonen
Wehklagend ziehen um das Riff.
Am Horizont die koloſſalen Brücken —
Sind's Wolken oder iſt's ein ferner Wald?
Ich will den Schemel an die Luke rücken,
Da liegt mein Hut, mein Hammer, — halt:
Ein Teller am Geſtell! — was mag er bieten?
Fundus! bei Gott, ein Fund das Backwerk drin!
Für einen armen Hund von Eremiten,
Wie ich es leider heute bin!
Ein ſeid'ner Beutel noch — am Bort zerriſſen;
Ich greife, greife Rundes mit der Hand;
Weh! in die dürre Erbs' hab ich gebiſſen —
Ich dacht', es ſeye Zuckerkand.
Und nun die Taſche! he, wir müſſen klopfen —
Vielleicht liegt ein Gefang'ner hier in Haft;
Da — eine Flaſche! ſchnell herab den Pfropfen —
Iſt's Waſſer? Waſſer? — edler Rebenſaft!
Und Edlerer, der ihn dem Sack vertraute,
Splendid barmherziger Wildhüter du,
Für einen armen Schelm, der Erbſen kaute,
Den frommen Bruder Tuck im Ivanhoe!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0062" n="48"/>
            <lg n="8">
              <l>Wenn Schimmer wech&#x017F;eln, weiß und &#x017F;eladonen;</l><lb/>
              <l>Die weite Eb'ne &#x017F;chaukelt wie ein Schiff,</l><lb/>
              <l>Hindurch der Kibitz &#x017F;chrillt, wie Halcyonen</l><lb/>
              <l>Wehklagend ziehen um das Riff.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="9">
              <l>Am Horizont die kolo&#x017F;&#x017F;alen Brücken &#x2014;</l><lb/>
              <l>Sind's Wolken oder i&#x017F;t's ein ferner Wald?</l><lb/>
              <l>Ich will den Schemel an die Luke rücken,</l><lb/>
              <l>Da liegt mein Hut, mein Hammer, &#x2014; halt:</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="10">
              <l>Ein Teller am Ge&#x017F;tell! &#x2014; was mag er bieten?</l><lb/>
              <l>Fundus! bei Gott, ein Fund das Backwerk drin!</l><lb/>
              <l>Für einen armen Hund von Eremiten,</l><lb/>
              <l>Wie ich es leider heute bin!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="11">
              <l>Ein &#x017F;eid'ner Beutel noch &#x2014; am Bort zerri&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
              <l>Ich greife, greife Rundes mit der Hand;</l><lb/>
              <l>Weh! in die dürre Erbs' hab ich gebi&#x017F;&#x017F;en &#x2014;</l><lb/>
              <l>Ich dacht', es &#x017F;eye Zuckerkand.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="12">
              <l>Und nun die Ta&#x017F;che! he, wir mü&#x017F;&#x017F;en klopfen &#x2014;</l><lb/>
              <l>Vielleicht liegt ein Gefang'ner hier in Haft;</l><lb/>
              <l>Da &#x2014; eine Fla&#x017F;che! &#x017F;chnell herab den Pfropfen &#x2014;</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t's Wa&#x017F;&#x017F;er? Wa&#x017F;&#x017F;er? &#x2014; edler Reben&#x017F;aft!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="13">
              <l>Und Edlerer, der ihn dem Sack vertraute,</l><lb/>
              <l>Splendid barmherziger Wildhüter du,</l><lb/>
              <l>Für einen armen Schelm, der Erb&#x017F;en kaute,</l><lb/>
              <l>Den frommen Bruder Tuck im Ivanhoe!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0062] Wenn Schimmer wechſeln, weiß und ſeladonen; Die weite Eb'ne ſchaukelt wie ein Schiff, Hindurch der Kibitz ſchrillt, wie Halcyonen Wehklagend ziehen um das Riff. Am Horizont die koloſſalen Brücken — Sind's Wolken oder iſt's ein ferner Wald? Ich will den Schemel an die Luke rücken, Da liegt mein Hut, mein Hammer, — halt: Ein Teller am Geſtell! — was mag er bieten? Fundus! bei Gott, ein Fund das Backwerk drin! Für einen armen Hund von Eremiten, Wie ich es leider heute bin! Ein ſeid'ner Beutel noch — am Bort zerriſſen; Ich greife, greife Rundes mit der Hand; Weh! in die dürre Erbs' hab ich gebiſſen — Ich dacht', es ſeye Zuckerkand. Und nun die Taſche! he, wir müſſen klopfen — Vielleicht liegt ein Gefang'ner hier in Haft; Da — eine Flaſche! ſchnell herab den Pfropfen — Iſt's Waſſer? Waſſer? — edler Rebenſaft! Und Edlerer, der ihn dem Sack vertraute, Splendid barmherziger Wildhüter du, Für einen armen Schelm, der Erbſen kaute, Den frommen Bruder Tuck im Ivanhoe!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/62
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/62>, abgerufen am 25.11.2024.