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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Ach Nichts von diesem war dabei!
Ein Gärtchen vor dem Thor hinaus,
Ein kleines wohlbestelltes Haus
Am Moore, wo man Feurung gräbt:
Aus diesem Stoff ward es gewebt;
Doch war es ihre Häuslichkeit,
Ein Paradies zukünft'ger Zeit,
Und um die Worte wiegten sich
Viel tausend Engel minniglich.
Und immer fürder las der Ohm
Vom Pabste, vom Concil zu Rom,
Von Fasten, Skapulier und Sack,
Das war nicht eben sein Geschmack.
Allmählig tiefer sinkt das Haupt,
Die Lettern tanzen, sinnberaubt,
Gleich einer Lampe im Verglimmen;
Schon fühlt er die Gedanken schwimmen.
Ein heller Ruf! Er fährt empor.
Ha! Reiterschaaren dicht am Thor!
Sie fliegen, daß der Anger pfeift.
Von Mann und Thiere tröpfelnd läuft
Das klare Blut, und Flockenschaum
Fährt flatternd an Gesträuch und Baum.
Wie ward der Thorwart grimm und wach!
Wie griff er nach der Partisan!
Rief laut: "Der tolle Christian!"
Und war der Herzog nicht so jach,
Er sandt' ihm seine Waffe nach.
Doch durch die Wiesen langgestreckt
Das Roß die wunden Hufe reckt.

Ach Nichts von dieſem war dabei!
Ein Gärtchen vor dem Thor hinaus,
Ein kleines wohlbeſtelltes Haus
Am Moore, wo man Feurung gräbt:
Aus dieſem Stoff ward es gewebt;
Doch war es ihre Häuslichkeit,
Ein Paradies zukünft'ger Zeit,
Und um die Worte wiegten ſich
Viel tauſend Engel minniglich.
Und immer fürder las der Ohm
Vom Pabſte, vom Concil zu Rom,
Von Faſten, Skapulier und Sack,
Das war nicht eben ſein Geſchmack.
Allmählig tiefer ſinkt das Haupt,
Die Lettern tanzen, ſinnberaubt,
Gleich einer Lampe im Verglimmen;
Schon fühlt er die Gedanken ſchwimmen.
Ein heller Ruf! Er fährt empor.
Ha! Reiterſchaaren dicht am Thor!
Sie fliegen, daß der Anger pfeift.
Von Mann und Thiere tröpfelnd läuft
Das klare Blut, und Flockenſchaum
Fährt flatternd an Geſträuch und Baum.
Wie ward der Thorwart grimm und wach!
Wie griff er nach der Partiſan!
Rief laut: „Der tolle Chriſtian!“
Und war der Herzog nicht ſo jach,
Er ſandt' ihm ſeine Waffe nach.
Doch durch die Wieſen langgeſtreckt
Das Roß die wunden Hufe reckt.

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[566/0580] Ach Nichts von dieſem war dabei! Ein Gärtchen vor dem Thor hinaus, Ein kleines wohlbeſtelltes Haus Am Moore, wo man Feurung gräbt: Aus dieſem Stoff ward es gewebt; Doch war es ihre Häuslichkeit, Ein Paradies zukünft'ger Zeit, Und um die Worte wiegten ſich Viel tauſend Engel minniglich. Und immer fürder las der Ohm Vom Pabſte, vom Concil zu Rom, Von Faſten, Skapulier und Sack, Das war nicht eben ſein Geſchmack. Allmählig tiefer ſinkt das Haupt, Die Lettern tanzen, ſinnberaubt, Gleich einer Lampe im Verglimmen; Schon fühlt er die Gedanken ſchwimmen. Ein heller Ruf! Er fährt empor. Ha! Reiterſchaaren dicht am Thor! Sie fliegen, daß der Anger pfeift. Von Mann und Thiere tröpfelnd läuft Das klare Blut, und Flockenſchaum Fährt flatternd an Geſträuch und Baum. Wie ward der Thorwart grimm und wach! Wie griff er nach der Partiſan! Rief laut: „Der tolle Chriſtian!“ Und war der Herzog nicht ſo jach, Er ſandt' ihm ſeine Waffe nach. Doch durch die Wieſen langgeſtreckt Das Roß die wunden Hufe reckt.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/580>, abgerufen am 22.11.2024.