Man sah ihn winken mit der Hand, Inständig flehend: "Haltet Stand!" Nicht Einer war, der ihn verstand. So todesmüde der Soldat, So stumpf an Sinnen, ohne Rath, Kaum hörte des Signales Klang; Und schwer dem Herzog es gelang Mit wenig Treuen für Minuten Zu hemmen noch den letzten Schlag. Sie thaten was ein Mensch vermag, Vom Rosse sinkend, im Verbluten, Die Finger, steif in Todesnahn, Noch suchten des Pistoles Hahn, Sie stießen mit der Partisan, Am Grund auf blut'gen Stümpfen liegend, Und wimmernd sich im Moose schmiegend, Des Schwertes Spitze suchten sie Zu bohren in der Rosse Knie. Da plötzlich wie ein Ebertroß, Der knirschend vor dem Jäger rennt, Heran der Spar'sche Landsknecht schoß; Und hinterdrein auf flücht'gem Roß Das Herberstorfsche Regiment,14 Die Säbel hoch im Sonnenblitze, Den Albrecht Tilly an der Spitze. Und ein Gemetzel nun begann, So trieb es nie ein braver Mann Gen Feinde unbewehrt und wund; Man sah sie knieen auf den Grund, Die Hände falten um Pardon:
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 36
Man ſah ihn winken mit der Hand, Inſtändig flehend: „Haltet Stand!“ Nicht Einer war, der ihn verſtand. So todesmüde der Soldat, So ſtumpf an Sinnen, ohne Rath, Kaum hörte des Signales Klang; Und ſchwer dem Herzog es gelang Mit wenig Treuen für Minuten Zu hemmen noch den letzten Schlag. Sie thaten was ein Menſch vermag, Vom Roſſe ſinkend, im Verbluten, Die Finger, ſteif in Todesnahn, Noch ſuchten des Piſtoles Hahn, Sie ſtießen mit der Partiſan, Am Grund auf blut'gen Stümpfen liegend, Und wimmernd ſich im Mooſe ſchmiegend, Des Schwertes Spitze ſuchten ſie Zu bohren in der Roſſe Knie. Da plötzlich wie ein Ebertroß, Der knirſchend vor dem Jäger rennt, Heran der Spar'ſche Landsknecht ſchoß; Und hinterdrein auf flücht'gem Roß Das Herberſtorfſche Regiment,14 Die Säbel hoch im Sonnenblitze, Den Albrecht Tilly an der Spitze. Und ein Gemetzel nun begann, So trieb es nie ein braver Mann Gen Feinde unbewehrt und wund; Man ſah ſie knieen auf den Grund, Die Hände falten um Pardon:
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 36
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Man ſah ihn winken mit der Hand,
Inſtändig flehend: „Haltet Stand!“
Nicht Einer war, der ihn verſtand.
So todesmüde der Soldat,
So ſtumpf an Sinnen, ohne Rath,
Kaum hörte des Signales Klang;
Und ſchwer dem Herzog es gelang
Mit wenig Treuen für Minuten
Zu hemmen noch den letzten Schlag.
Sie thaten was ein Menſch vermag,
Vom Roſſe ſinkend, im Verbluten,
Die Finger, ſteif in Todesnahn,
Noch ſuchten des Piſtoles Hahn,
Sie ſtießen mit der Partiſan,
Am Grund auf blut'gen Stümpfen liegend,
Und wimmernd ſich im Mooſe ſchmiegend,
Des Schwertes Spitze ſuchten ſie
Zu bohren in der Roſſe Knie.
Da plötzlich wie ein Ebertroß,
Der knirſchend vor dem Jäger rennt,
Heran der Spar'ſche Landsknecht ſchoß;
Und hinterdrein auf flücht'gem Roß
Das Herberſtorfſche Regiment,14
Die Säbel hoch im Sonnenblitze,
Den Albrecht Tilly an der Spitze.
Und ein Gemetzel nun begann,
So trieb es nie ein braver Mann
Gen Feinde unbewehrt und wund;
Man ſah ſie knieen auf den Grund,
Die Hände falten um Pardon:
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 36
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/575>, abgerufen am 28.11.2024.
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