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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Sein Schwert Sankt Michael zu heben
Und Zugluft, die dem Spalt entglitt,
Regt nun und dann des Greises Haar,
Der dort am Hochaltare liegt,
So regungslos in sich geschmiegt,
Als sey er schon des Lebens baar.
Und wie es flatternd ihn umfliegt,
Er meint, es sey des Vorfahrs Odem,
Ins Ohr ihm flüsternd immer neu:
Halt aus, halt aus! auf schwankem Boden
Bleib deinem Heiligthume treu!
Nicht rühme sich die blut'ge Schaar,
Verlassen traf sie den Altar!
Was war das? Stimmen, und ganz dicht!
"Jesus, Maria, steh uns bei!"
Nun ist es still. Und nun auf's neu'! --
"O heil'ge Jungfrau, laß mich nicht,
Wenn nun mein Stündlein kommt herbei!"
Es klopft und drängt, es dreht am Schloß,
Die Flügel schwanken. Ha! da bricht
Es splitternd mit gewalt'gem Stoß:
Sturmhaube, Federbusch und Hut,
Von Lanzenspitzen eine Flut; --
Mit gelben Kollern angefüllt
Die Kirche dröhnt von Flüchen wild.
Und, o mein armer Sakristan!
Zum Hochaltar die grade Bahn
Treibt wie ein Strom der Troß hinan.
"Wo blieb der Kelch? wo die Monstranz?
Das beste Paar im ganzen Tanz!

Sein Schwert Sankt Michael zu heben
Und Zugluft, die dem Spalt entglitt,
Regt nun und dann des Greiſes Haar,
Der dort am Hochaltare liegt,
So regungslos in ſich geſchmiegt,
Als ſey er ſchon des Lebens baar.
Und wie es flatternd ihn umfliegt,
Er meint, es ſey des Vorfahrs Odem,
Ins Ohr ihm flüſternd immer neu:
Halt aus, halt aus! auf ſchwankem Boden
Bleib deinem Heiligthume treu!
Nicht rühme ſich die blut'ge Schaar,
Verlaſſen traf ſie den Altar!
Was war das? Stimmen, und ganz dicht!
„Jeſus, Maria, ſteh uns bei!“
Nun iſt es ſtill. Und nun auf's neu'! —
„O heil'ge Jungfrau, laß mich nicht,
Wenn nun mein Stündlein kommt herbei!“
Es klopft und drängt, es dreht am Schloß,
Die Flügel ſchwanken. Ha! da bricht
Es ſplitternd mit gewalt'gem Stoß:
Sturmhaube, Federbuſch und Hut,
Von Lanzenſpitzen eine Flut; —
Mit gelben Kollern angefüllt
Die Kirche dröhnt von Flüchen wild.
Und, o mein armer Sakriſtan!
Zum Hochaltar die grade Bahn
Treibt wie ein Strom der Troß hinan.
„Wo blieb der Kelch? wo die Monſtranz?
Das beſte Paar im ganzen Tanz!

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[510/0524] Sein Schwert Sankt Michael zu heben Und Zugluft, die dem Spalt entglitt, Regt nun und dann des Greiſes Haar, Der dort am Hochaltare liegt, So regungslos in ſich geſchmiegt, Als ſey er ſchon des Lebens baar. Und wie es flatternd ihn umfliegt, Er meint, es ſey des Vorfahrs Odem, Ins Ohr ihm flüſternd immer neu: Halt aus, halt aus! auf ſchwankem Boden Bleib deinem Heiligthume treu! Nicht rühme ſich die blut'ge Schaar, Verlaſſen traf ſie den Altar! Was war das? Stimmen, und ganz dicht! „Jeſus, Maria, ſteh uns bei!“ Nun iſt es ſtill. Und nun auf's neu'! — „O heil'ge Jungfrau, laß mich nicht, Wenn nun mein Stündlein kommt herbei!“ Es klopft und drängt, es dreht am Schloß, Die Flügel ſchwanken. Ha! da bricht Es ſplitternd mit gewalt'gem Stoß: Sturmhaube, Federbuſch und Hut, Von Lanzenſpitzen eine Flut; — Mit gelben Kollern angefüllt Die Kirche dröhnt von Flüchen wild. Und, o mein armer Sakriſtan! Zum Hochaltar die grade Bahn Treibt wie ein Strom der Troß hinan. „Wo blieb der Kelch? wo die Monſtranz? Das beſte Paar im ganzen Tanz!

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/524>, abgerufen am 22.11.2024.