Da kriecht er in's Gebüsch, legt an den Mund Mir seine Schnauze, schnuppert mir am Gurt; Doch auf ein fernes Pfeifen trabt er fort, Läßt mich in kaltem Schweiß gebadet dort Noch immer an der Erde wie gebannt. Du magst ermessen was ich wohl empfand, Da all mein Trost in Traumes Hoffnung stand. Denn wenn ich träumte, war ich mir's bewußt, Und daß ich träume, dacht' ich halb mit Lust, Versuchte auch zu regen meine Hand; Vergebens anfangs: doch ein Finger ruckt, Und plötzlich bin ich in die Höh' gezuckt. Da saß ich aufrecht, aber wüst und schwer. Der Wald war stumm, die Fichten starrten her, Die Dämm'rung um mich wogte wie ein Meer, Und Alles schien dem Traume zu gehören.
Da saß ich, schweißbedeckt, von Kälte zitternd, Ein scharfer Ost an Strauch und Halmen knitternd Verkündete des Tages Wiederkehr. Noch kämpfte Dämm'rung, doch das Morgenroth Aus halbgeschloßner Wolkenpforte droht' Und spülte kleine Feuerwellchen her. Es streckt sich, dehnt sich, gleitet in den Raum, Die rothe Welle schlägt der Berge Saum, Allmählig zündet's, geht in Flammen auf: Der Tag, der Tag beginnt den frischen Lauf! Zum hohlen Stamme Nachtgevögel kehren, Hoch oben läßt der Geier Ruf sich hören Und tausend Kehlen stimmen jubelnd ein.
Da kriecht er in's Gebüſch, legt an den Mund Mir ſeine Schnauze, ſchnuppert mir am Gurt; Doch auf ein fernes Pfeifen trabt er fort, Läßt mich in kaltem Schweiß gebadet dort Noch immer an der Erde wie gebannt. Du magſt ermeſſen was ich wohl empfand, Da all mein Troſt in Traumes Hoffnung ſtand. Denn wenn ich träumte, war ich mir's bewußt, Und daß ich träume, dacht' ich halb mit Luſt, Verſuchte auch zu regen meine Hand; Vergebens anfangs: doch ein Finger ruckt, Und plötzlich bin ich in die Höh' gezuckt. Da ſaß ich aufrecht, aber wüſt und ſchwer. Der Wald war ſtumm, die Fichten ſtarrten her, Die Dämm'rung um mich wogte wie ein Meer, Und Alles ſchien dem Traume zu gehören.
Da ſaß ich, ſchweißbedeckt, von Kälte zitternd, Ein ſcharfer Oſt an Strauch und Halmen knitternd Verkündete des Tages Wiederkehr. Noch kämpfte Dämm'rung, doch das Morgenroth Aus halbgeſchloßner Wolkenpforte droht' Und ſpülte kleine Feuerwellchen her. Es ſtreckt ſich, dehnt ſich, gleitet in den Raum, Die rothe Welle ſchlägt der Berge Saum, Allmählig zündet's, geht in Flammen auf: Der Tag, der Tag beginnt den friſchen Lauf! Zum hohlen Stamme Nachtgevögel kehren, Hoch oben läßt der Geier Ruf ſich hören Und tauſend Kehlen ſtimmen jubelnd ein.
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Da kriecht er in's Gebüſch, legt an den Mund
Mir ſeine Schnauze, ſchnuppert mir am Gurt;
Doch auf ein fernes Pfeifen trabt er fort,
Läßt mich in kaltem Schweiß gebadet dort
Noch immer an der Erde wie gebannt.
Du magſt ermeſſen was ich wohl empfand,
Da all mein Troſt in Traumes Hoffnung ſtand.
Denn wenn ich träumte, war ich mir's bewußt,
Und daß ich träume, dacht' ich halb mit Luſt,
Verſuchte auch zu regen meine Hand;
Vergebens anfangs: doch ein Finger ruckt,
Und plötzlich bin ich in die Höh' gezuckt.
Da ſaß ich aufrecht, aber wüſt und ſchwer.
Der Wald war ſtumm, die Fichten ſtarrten her,
Die Dämm'rung um mich wogte wie ein Meer,
Und Alles ſchien dem Traume zu gehören.
Da ſaß ich, ſchweißbedeckt, von Kälte zitternd,
Ein ſcharfer Oſt an Strauch und Halmen knitternd
Verkündete des Tages Wiederkehr.
Noch kämpfte Dämm'rung, doch das Morgenroth
Aus halbgeſchloßner Wolkenpforte droht'
Und ſpülte kleine Feuerwellchen her.
Es ſtreckt ſich, dehnt ſich, gleitet in den Raum,
Die rothe Welle ſchlägt der Berge Saum,
Allmählig zündet's, geht in Flammen auf:
Der Tag, der Tag beginnt den friſchen Lauf!
Zum hohlen Stamme Nachtgevögel kehren,
Hoch oben läßt der Geier Ruf ſich hören
Und tauſend Kehlen ſtimmen jubelnd ein.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/498>, abgerufen am 22.11.2024.
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