Durchaus nicht, wie du denken magst, erschüttert, Nein, gleich dem Kranken, wenn nach Fiebers Wuth Ihm schlafend durch die Adern schleicht das Blut, Nur vor Ermattung jede Muskel zittert. So träumte und so schlief ich halb voran, Folgt' einem Pfade, einem andern dann, Sah endlich auf und stand in Waldes Bann.
Ob schon so weit ich mich bereits verirrt, So stumpf mein Sinn in diesem Augenblick? Genug, ich ging und ging, und immer wirrt Der Pfad sich tiefer in den Hain zurück. Wie lang' ich so getappt die Kreuz und Quer, Durch Dornen mich und durch Gestrippe schlug, Bald Pfaden folgte, bald dem Ungefähr, Und jeder Schritt mir üble Früchte trug: Nicht meld' ich's lang, der Weg war schlimm genug, Von oben dunkel und am Grunde wüst. Manch' Vogel strich vom Lager mit Geschwirr, Unsichtbar aus der Luft die Eule grüßt, Doch ließ mich träg' und dämmrig das Gewirr, Ich ging ja ungefährdet, ob auch irr. Mich dünkt in dieser Stunde litt mein Hirn, Brand und Gekrimmel fühlt' ich in der Stirn. Gesumme hört' ich wie von fernen Glocken, Und wie am Auge schossen Feuerflocken; Einmal gefallen, blieb ich liegen gar, Ließ mich geduldig von den Ranken tragen Und mein Gesicht Gezweig' und Blätter schlagen Und nahm von allem dem nur wenig wahr.
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 31
Durchaus nicht, wie du denken magſt, erſchüttert, Nein, gleich dem Kranken, wenn nach Fiebers Wuth Ihm ſchlafend durch die Adern ſchleicht das Blut, Nur vor Ermattung jede Muskel zittert. So träumte und ſo ſchlief ich halb voran, Folgt' einem Pfade, einem andern dann, Sah endlich auf und ſtand in Waldes Bann.
Ob ſchon ſo weit ich mich bereits verirrt, So ſtumpf mein Sinn in dieſem Augenblick? Genug, ich ging und ging, und immer wirrt Der Pfad ſich tiefer in den Hain zurück. Wie lang' ich ſo getappt die Kreuz und Quer, Durch Dornen mich und durch Geſtrippe ſchlug, Bald Pfaden folgte, bald dem Ungefähr, Und jeder Schritt mir üble Früchte trug: Nicht meld' ich's lang, der Weg war ſchlimm genug, Von oben dunkel und am Grunde wüſt. Manch' Vogel ſtrich vom Lager mit Geſchwirr, Unſichtbar aus der Luft die Eule grüßt, Doch ließ mich träg' und dämmrig das Gewirr, Ich ging ja ungefährdet, ob auch irr. Mich dünkt in dieſer Stunde litt mein Hirn, Brand und Gekrimmel fühlt' ich in der Stirn. Geſumme hört' ich wie von fernen Glocken, Und wie am Auge ſchoſſen Feuerflocken; Einmal gefallen, blieb ich liegen gar, Ließ mich geduldig von den Ranken tragen Und mein Geſicht Gezweig' und Blätter ſchlagen Und nahm von allem dem nur wenig wahr.
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 31
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Durchaus nicht, wie du denken magſt, erſchüttert,
Nein, gleich dem Kranken, wenn nach Fiebers Wuth
Ihm ſchlafend durch die Adern ſchleicht das Blut,
Nur vor Ermattung jede Muskel zittert.
So träumte und ſo ſchlief ich halb voran,
Folgt' einem Pfade, einem andern dann,
Sah endlich auf und ſtand in Waldes Bann.
Ob ſchon ſo weit ich mich bereits verirrt,
So ſtumpf mein Sinn in dieſem Augenblick?
Genug, ich ging und ging, und immer wirrt
Der Pfad ſich tiefer in den Hain zurück.
Wie lang' ich ſo getappt die Kreuz und Quer,
Durch Dornen mich und durch Geſtrippe ſchlug,
Bald Pfaden folgte, bald dem Ungefähr,
Und jeder Schritt mir üble Früchte trug:
Nicht meld' ich's lang, der Weg war ſchlimm genug,
Von oben dunkel und am Grunde wüſt.
Manch' Vogel ſtrich vom Lager mit Geſchwirr,
Unſichtbar aus der Luft die Eule grüßt,
Doch ließ mich träg' und dämmrig das Gewirr,
Ich ging ja ungefährdet, ob auch irr.
Mich dünkt in dieſer Stunde litt mein Hirn,
Brand und Gekrimmel fühlt' ich in der Stirn.
Geſumme hört' ich wie von fernen Glocken,
Und wie am Auge ſchoſſen Feuerflocken;
Einmal gefallen, blieb ich liegen gar,
Ließ mich geduldig von den Ranken tragen
Und mein Geſicht Gezweig' und Blätter ſchlagen
Und nahm von allem dem nur wenig wahr.
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 31
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/495>, abgerufen am 16.02.2025.
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