Er rührte dich, du zucktest wie gebrannt, Du zucktest, ja du zucktest in der That, Und seufzen hört' ich dich in jener Nacht; Mich schlafend meintest du? Ich hab' gewacht! Ob nicht ein Sternbild seine Augen scheinen, Das über Klippen steht und dürren Hainen? Die Wimper schattet seiner Züge Bau, Wie über's Leichenfeld sich senkt der Thau: Was er verbrach, Gott mög' ihm gnädig seyn! Und Eine That, der mög' er ledig seyn! In dieser Brust wohl keimte gute Saat, Ob mir's verborgen blieb was sie zertrat. Ich sprach zu ihm, nicht nur was ich beschloß, Geheimes selbst mir von den Lippen floß: Ein Pilger, der, in Räuberhand gefallen, Hört plötzlich nahe Wanderlieder schallen, Dünkt minder sich des Nahenden Genoß. Seltsam gewiß, wie ich so ganz vergaß Daß er im blut'gen Rath mit jenen saß. Ich ward gehört, und ob kein Wort er sprach, Nur tiefer legte seiner Wimper Haag: Sein Schweigen selber meine Zweifel brach.
Was dann dem Kranken er geflüstert hat, Erwiedert dieser auch mit Zeichen matt: Nur wenig Laute kamen an mein Ohr; Einmal der Wunde zuckte doch empor. Die wilde Fassung, so sein Antlitz sprach, Doch unwillkührlich sich in Schauder brach, Und noch zu bergen sah ich ihn bedacht,
Er rührte dich, du zuckteſt wie gebrannt, Du zuckteſt, ja du zuckteſt in der That, Und ſeufzen hört' ich dich in jener Nacht; Mich ſchlafend meinteſt du? Ich hab' gewacht! Ob nicht ein Sternbild ſeine Augen ſcheinen, Das über Klippen ſteht und dürren Hainen? Die Wimper ſchattet ſeiner Züge Bau, Wie über's Leichenfeld ſich ſenkt der Thau: Was er verbrach, Gott mög' ihm gnädig ſeyn! Und Eine That, der mög' er ledig ſeyn! In dieſer Bruſt wohl keimte gute Saat, Ob mir's verborgen blieb was ſie zertrat. Ich ſprach zu ihm, nicht nur was ich beſchloß, Geheimes ſelbſt mir von den Lippen floß: Ein Pilger, der, in Räuberhand gefallen, Hört plötzlich nahe Wanderlieder ſchallen, Dünkt minder ſich des Nahenden Genoß. Seltſam gewiß, wie ich ſo ganz vergaß Daß er im blut'gen Rath mit jenen ſaß. Ich ward gehört, und ob kein Wort er ſprach, Nur tiefer legte ſeiner Wimper Haag: Sein Schweigen ſelber meine Zweifel brach.
Was dann dem Kranken er geflüſtert hat, Erwiedert dieſer auch mit Zeichen matt: Nur wenig Laute kamen an mein Ohr; Einmal der Wunde zuckte doch empor. Die wilde Faſſung, ſo ſein Antlitz ſprach, Doch unwillkührlich ſich in Schauder brach, Und noch zu bergen ſah ich ihn bedacht,
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Er rührte dich, du zuckteſt wie gebrannt,
Du zuckteſt, ja du zuckteſt in der That,
Und ſeufzen hört' ich dich in jener Nacht;
Mich ſchlafend meinteſt du? Ich hab' gewacht!
Ob nicht ein Sternbild ſeine Augen ſcheinen,
Das über Klippen ſteht und dürren Hainen?
Die Wimper ſchattet ſeiner Züge Bau,
Wie über's Leichenfeld ſich ſenkt der Thau:
Was er verbrach, Gott mög' ihm gnädig ſeyn!
Und Eine That, der mög' er ledig ſeyn!
In dieſer Bruſt wohl keimte gute Saat,
Ob mir's verborgen blieb was ſie zertrat.
Ich ſprach zu ihm, nicht nur was ich beſchloß,
Geheimes ſelbſt mir von den Lippen floß:
Ein Pilger, der, in Räuberhand gefallen,
Hört plötzlich nahe Wanderlieder ſchallen,
Dünkt minder ſich des Nahenden Genoß.
Seltſam gewiß, wie ich ſo ganz vergaß
Daß er im blut'gen Rath mit jenen ſaß.
Ich ward gehört, und ob kein Wort er ſprach,
Nur tiefer legte ſeiner Wimper Haag:
Sein Schweigen ſelber meine Zweifel brach.
Was dann dem Kranken er geflüſtert hat,
Erwiedert dieſer auch mit Zeichen matt:
Nur wenig Laute kamen an mein Ohr;
Einmal der Wunde zuckte doch empor.
Die wilde Faſſung, ſo ſein Antlitz ſprach,
Doch unwillkührlich ſich in Schauder brach,
Und noch zu bergen ſah ich ihn bedacht,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/488>, abgerufen am 22.11.2024.
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