Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Und locker hier der Schlimmen Band zu seyn. Und Muth nun, Muth! der Augenblick ist mein: Ich muß ihn halten oder gehn verloren; Noch einmal flammt, dann lischt das Meteor! Ich war allein, mit jener Frau allein. Sprach ich zu ihr? Sie blickte nicht empor, Ihr Auge will sich in den Estrich bohren, Kaum athmet sie; mir Alles deuten muß, Auf Schweigens tief verhärteten Entschluß. Ob sie mich sieht? Sie scheint betäubt zu seyn, Und "Hört mich schöne Frau!" Sie regt sich -- nein. Und wieder "Hört mich schöne Frau!" Sie schweigt. Ganz sacht erheb' ich mich -- was rauscht, was steigt Im Winkel dort? Ein Fleck, ein Schatten, ha! Nun rückt es vor -- und nun, nun steht es da! Ungern gedenk' ich deß, den du wohl weißt, Des Dunklen, der allnächtlich mich umkreis't, Auf meine Scheitel legt die heiße Hand, Ungern gedenk' ich deß, der vor mir stand. Ihn zu beschreiben, unnütz wär's und kühn. Du willst mir's hehlen, Sohn! doch sahst du ihn, Als lang und bleich zu deinem Bett er trat; Und locker hier der Schlimmen Band zu ſeyn. Und Muth nun, Muth! der Augenblick iſt mein: Ich muß ihn halten oder gehn verloren; Noch einmal flammt, dann liſcht das Meteor! Ich war allein, mit jener Frau allein. Sprach ich zu ihr? Sie blickte nicht empor, Ihr Auge will ſich in den Eſtrich bohren, Kaum athmet ſie; mir Alles deuten muß, Auf Schweigens tief verhärteten Entſchluß. Ob ſie mich ſieht? Sie ſcheint betäubt zu ſeyn, Und „Hört mich ſchöne Frau!“ Sie regt ſich — nein. Und wieder „Hört mich ſchöne Frau!“ Sie ſchweigt. Ganz ſacht erheb' ich mich — was rauſcht, was ſteigt Im Winkel dort? Ein Fleck, ein Schatten, ha! Nun rückt es vor — und nun, nun ſteht es da! Ungern gedenk' ich deß, den du wohl weißt, Des Dunklen, der allnächtlich mich umkreiſ't, Auf meine Scheitel legt die heiße Hand, Ungern gedenk' ich deß, der vor mir ſtand. Ihn zu beſchreiben, unnütz wär's und kühn. Du willſt mir's hehlen, Sohn! doch ſahſt du ihn, Als lang und bleich zu deinem Bett er trat; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="13"> <pb facs="#f0487" n="473"/> <l>Und locker hier der Schlimmen Band zu ſeyn.</l><lb/> <l>Mir war's wie ein Gewitter das verzog,</l><lb/> <l>Als er ſo langſam um die Ecke bog</l><lb/> <l>Und träge ſchob die langen Glieder vor.</l><lb/> <l>Ich hört' ihn rauſchen durch Gerüll und Sand,</l><lb/> <l>Dann ſeitwärts, ferner dann, dann ging ein Thor;</l><lb/> <l>Ich lauſchte, lauſchte, lauſchte — Alles ſchwand.</l><lb/> </lg> <lg n="14"> <l>Und Muth nun, Muth! der Augenblick iſt mein:</l><lb/> <l>Ich muß ihn halten oder gehn verloren;</l><lb/> <l>Noch einmal flammt, dann liſcht das Meteor!</l><lb/> <l>Ich war allein, mit jener Frau allein.</l><lb/> <l>Sprach ich zu ihr? Sie blickte nicht empor,</l><lb/> <l>Ihr Auge will ſich in den Eſtrich bohren,</l><lb/> <l>Kaum athmet ſie; mir Alles deuten muß,</l><lb/> <l>Auf Schweigens tief verhärteten Entſchluß.</l><lb/> <l>Ob ſie mich ſieht? Sie ſcheint betäubt zu ſeyn,</l><lb/> <l>Und „Hört mich ſchöne Frau!“ Sie regt ſich — nein.</l><lb/> <l>Und wieder „Hört mich ſchöne Frau!“ Sie ſchweigt.</l><lb/> <l>Ganz ſacht erheb' ich mich — was rauſcht, was ſteigt</l><lb/> <l>Im Winkel dort? Ein Fleck, ein Schatten, ha!</l><lb/> <l>Nun rückt es vor — und nun, nun ſteht es da!</l><lb/> </lg> <lg n="15"> <l>Ungern gedenk' ich deß, den du wohl weißt,</l><lb/> <l>Des Dunklen, der allnächtlich mich umkreiſ't,</l><lb/> <l>Auf meine Scheitel legt die heiße Hand,</l><lb/> <l>Ungern gedenk' ich deß, der vor mir ſtand.</l><lb/> <l>Ihn zu beſchreiben, unnütz wär's und kühn.</l><lb/> <l>Du willſt mir's hehlen, Sohn! doch ſahſt du ihn,</l><lb/> <l>Als lang und bleich zu deinem Bett er trat;</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [473/0487]
Und locker hier der Schlimmen Band zu ſeyn.
Mir war's wie ein Gewitter das verzog,
Als er ſo langſam um die Ecke bog
Und träge ſchob die langen Glieder vor.
Ich hört' ihn rauſchen durch Gerüll und Sand,
Dann ſeitwärts, ferner dann, dann ging ein Thor;
Ich lauſchte, lauſchte, lauſchte — Alles ſchwand.
Und Muth nun, Muth! der Augenblick iſt mein:
Ich muß ihn halten oder gehn verloren;
Noch einmal flammt, dann liſcht das Meteor!
Ich war allein, mit jener Frau allein.
Sprach ich zu ihr? Sie blickte nicht empor,
Ihr Auge will ſich in den Eſtrich bohren,
Kaum athmet ſie; mir Alles deuten muß,
Auf Schweigens tief verhärteten Entſchluß.
Ob ſie mich ſieht? Sie ſcheint betäubt zu ſeyn,
Und „Hört mich ſchöne Frau!“ Sie regt ſich — nein.
Und wieder „Hört mich ſchöne Frau!“ Sie ſchweigt.
Ganz ſacht erheb' ich mich — was rauſcht, was ſteigt
Im Winkel dort? Ein Fleck, ein Schatten, ha!
Nun rückt es vor — und nun, nun ſteht es da!
Ungern gedenk' ich deß, den du wohl weißt,
Des Dunklen, der allnächtlich mich umkreiſ't,
Auf meine Scheitel legt die heiße Hand,
Ungern gedenk' ich deß, der vor mir ſtand.
Ihn zu beſchreiben, unnütz wär's und kühn.
Du willſt mir's hehlen, Sohn! doch ſahſt du ihn,
Als lang und bleich zu deinem Bett er trat;
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