Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie war das schönste Grafenkind im Land:
Dennoch ein Etwas lag in ihren Blicken,
Als ob sie Alle dulde, achte Keinen,
Der schöne Mund geformt schien zum Verneinen:
Nicht Härte hab' ich's und nicht Hohn genannt,
Jedoch zu allernächst es beidem stand.
Man sagte mir, dies wunderschöne Bild,
-- Vertraute Stimmen wurden drüber laut,
Für Herzensschwächen ist die Menge mild --
Man nannt' es eine unglücksel'ge Braut.
Der Mann, dem Elternwille sie versprach,
Er legte selbst den Grundstein seiner Schmach,
Als er mit ungestümer Grille Hang,
Wie Schwache gerne keck und seltsam scheinen,
Dem Fremdling auf sich zum Genossen drang,
Der sich am mindesten ihm mochte einen,
Der zehnfach schöner, tausendfach so kühn,
Mit Sitten die beleid'gen und verführen,
Genau gemacht ein starkes Herz zu rühren,
Geheim, man wußt' es, ließ die Braut erglühn;
Der folgt sein Blick, wie dem Kometen klar
Die Seuche und das segenlose Jahr.
Von beiden Männern dort ich keinen sah,
Gefährlich war der Fremde, oder nah,
Von ihm man flüsterte; mit offnem Hohne
Den Grafen macht' zum albernen Patrone.
Partheiisch man des Weibes Fehl vergaß,
Nur Männer wurden laut dort wo ich saß.
Mir schien sie stolz, weit über Ziel und Maaß,
Und minder trauernd auch als still entbrannt,

Sie war das ſchönſte Grafenkind im Land:
Dennoch ein Etwas lag in ihren Blicken,
Als ob ſie Alle dulde, achte Keinen,
Der ſchöne Mund geformt ſchien zum Verneinen:
Nicht Härte hab' ich's und nicht Hohn genannt,
Jedoch zu allernächſt es beidem ſtand.
Man ſagte mir, dies wunderſchöne Bild,
— Vertraute Stimmen wurden drüber laut,
Für Herzensſchwächen iſt die Menge mild —
Man nannt' es eine unglückſel'ge Braut.
Der Mann, dem Elternwille ſie verſprach,
Er legte ſelbſt den Grundſtein ſeiner Schmach,
Als er mit ungeſtümer Grille Hang,
Wie Schwache gerne keck und ſeltſam ſcheinen,
Dem Fremdling auf ſich zum Genoſſen drang,
Der ſich am mindeſten ihm mochte einen,
Der zehnfach ſchöner, tauſendfach ſo kühn,
Mit Sitten die beleid'gen und verführen,
Genau gemacht ein ſtarkes Herz zu rühren,
Geheim, man wußt' es, ließ die Braut erglühn;
Der folgt ſein Blick, wie dem Kometen klar
Die Seuche und das ſegenloſe Jahr.
Von beiden Männern dort ich keinen ſah,
Gefährlich war der Fremde, oder nah,
Von ihm man flüſterte; mit offnem Hohne
Den Grafen macht' zum albernen Patrone.
Partheiiſch man des Weibes Fehl vergaß,
Nur Männer wurden laut dort wo ich ſaß.
Mir ſchien ſie ſtolz, weit über Ziel und Maaß,
Und minder trauernd auch als ſtill entbrannt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="12">
              <pb facs="#f0485" n="471"/>
              <l>Sie war das &#x017F;chön&#x017F;te Grafenkind im Land:</l><lb/>
              <l>Dennoch ein Etwas lag in ihren Blicken,</l><lb/>
              <l>Als ob &#x017F;ie Alle dulde, achte Keinen,</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;chöne Mund geformt &#x017F;chien zum Verneinen:</l><lb/>
              <l>Nicht Härte hab' ich's und nicht Hohn genannt,</l><lb/>
              <l>Jedoch zu allernäch&#x017F;t es beidem &#x017F;tand.</l><lb/>
              <l>Man &#x017F;agte mir, dies wunder&#x017F;chöne Bild,</l><lb/>
              <l>&#x2014; Vertraute Stimmen wurden drüber laut,</l><lb/>
              <l>Für Herzens&#x017F;chwächen i&#x017F;t die Menge mild &#x2014;</l><lb/>
              <l>Man nannt' es eine unglück&#x017F;el'ge Braut.</l><lb/>
              <l>Der Mann, dem Elternwille &#x017F;ie ver&#x017F;prach,</l><lb/>
              <l>Er legte &#x017F;elb&#x017F;t den Grund&#x017F;tein &#x017F;einer Schmach,</l><lb/>
              <l>Als er mit unge&#x017F;tümer Grille Hang,</l><lb/>
              <l>Wie Schwache gerne keck und &#x017F;elt&#x017F;am &#x017F;cheinen,</l><lb/>
              <l>Dem Fremdling auf &#x017F;ich zum Geno&#x017F;&#x017F;en drang,</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;ich am minde&#x017F;ten ihm mochte einen,</l><lb/>
              <l>Der zehnfach &#x017F;chöner, tau&#x017F;endfach &#x017F;o kühn,</l><lb/>
              <l>Mit Sitten die beleid'gen und verführen,</l><lb/>
              <l>Genau gemacht ein &#x017F;tarkes Herz zu rühren,</l><lb/>
              <l>Geheim, man wußt' es, ließ die Braut erglühn;</l><lb/>
              <l>Der folgt &#x017F;ein Blick, wie dem Kometen klar</l><lb/>
              <l>Die Seuche und das &#x017F;egenlo&#x017F;e Jahr.</l><lb/>
              <l>Von beiden Männern dort ich keinen &#x017F;ah,</l><lb/>
              <l>Gefährlich war der Fremde, oder nah,</l><lb/>
              <l>Von ihm man flü&#x017F;terte; mit offnem Hohne</l><lb/>
              <l>Den Grafen macht' zum albernen Patrone.</l><lb/>
              <l>Partheii&#x017F;ch man des Weibes Fehl vergaß,</l><lb/>
              <l>Nur Männer wurden laut dort wo ich &#x017F;aß.</l><lb/>
              <l>Mir &#x017F;chien &#x017F;ie &#x017F;tolz, weit über Ziel und Maaß,</l><lb/>
              <l>Und minder trauernd auch als &#x017F;till entbrannt,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[471/0485] Sie war das ſchönſte Grafenkind im Land: Dennoch ein Etwas lag in ihren Blicken, Als ob ſie Alle dulde, achte Keinen, Der ſchöne Mund geformt ſchien zum Verneinen: Nicht Härte hab' ich's und nicht Hohn genannt, Jedoch zu allernächſt es beidem ſtand. Man ſagte mir, dies wunderſchöne Bild, — Vertraute Stimmen wurden drüber laut, Für Herzensſchwächen iſt die Menge mild — Man nannt' es eine unglückſel'ge Braut. Der Mann, dem Elternwille ſie verſprach, Er legte ſelbſt den Grundſtein ſeiner Schmach, Als er mit ungeſtümer Grille Hang, Wie Schwache gerne keck und ſeltſam ſcheinen, Dem Fremdling auf ſich zum Genoſſen drang, Der ſich am mindeſten ihm mochte einen, Der zehnfach ſchöner, tauſendfach ſo kühn, Mit Sitten die beleid'gen und verführen, Genau gemacht ein ſtarkes Herz zu rühren, Geheim, man wußt' es, ließ die Braut erglühn; Der folgt ſein Blick, wie dem Kometen klar Die Seuche und das ſegenloſe Jahr. Von beiden Männern dort ich keinen ſah, Gefährlich war der Fremde, oder nah, Von ihm man flüſterte; mit offnem Hohne Den Grafen macht' zum albernen Patrone. Partheiiſch man des Weibes Fehl vergaß, Nur Männer wurden laut dort wo ich ſaß. Mir ſchien ſie ſtolz, weit über Ziel und Maaß, Und minder trauernd auch als ſtill entbrannt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/485
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/485>, abgerufen am 22.11.2024.