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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Versammelt sind im Krankenzimmer,
Vegibt entschlossen sich der Greis.
Doch als er nun die Thüre lichtet,
Auf ihn sich jedes Auge richtet;
Da, deut' ich recht der Finger Zucken,
Am Gurt' das unbewußte Rucken,
So sinkt ein wenig ihm der Muth,
Auch in die Wange tritt das Blut.
"Wie, alter Vater! schlaft ihr nicht?"
Ruft ihm der Prior schon entgegen,
"Nein, Maaß muß seyn in allen Wegen,
Auch ihre Schranken hat die Pflicht.
Ihr scheint's Euch heute vorzunehmen
Uns alle gründlich zu beschämen,
Und Ihr seyd matt, man sieht's Euch an.
Zu Bett, zu Bett!" Der alte Mann
Steht lautlos, und in seiner Noth
Auf's neu beginnt das Kleid zu reiben,
Als sollte nicht ein Stäubchen bleiben:
Bis an die Stirne steigt das Roth.
Dann holt er tief und tiefer aus,
Und zitternd bricht die Stimm' heraus:
"Nein, lobt mich nicht, ich bin's nicht werth!
Ich will den schlimmsten Vorwurf dulden
Und daß ihr mir den Rücken kehrt;
Allein vergebt mir meine Schulden,
Der alte Feind hat mich bethört.
Der alte eingefreßne Zorn,
Im Herzen mir ein steter Dorn,
Seit ich in meinen jungen Tagen

Verſammelt ſind im Krankenzimmer,
Vegibt entſchloſſen ſich der Greis.
Doch als er nun die Thüre lichtet,
Auf ihn ſich jedes Auge richtet;
Da, deut' ich recht der Finger Zucken,
Am Gurt' das unbewußte Rucken,
So ſinkt ein wenig ihm der Muth,
Auch in die Wange tritt das Blut.
„Wie, alter Vater! ſchlaft ihr nicht?“
Ruft ihm der Prior ſchon entgegen,
„Nein, Maaß muß ſeyn in allen Wegen,
Auch ihre Schranken hat die Pflicht.
Ihr ſcheint's Euch heute vorzunehmen
Uns alle gründlich zu beſchämen,
Und Ihr ſeyd matt, man ſieht's Euch an.
Zu Bett, zu Bett!“ Der alte Mann
Steht lautlos, und in ſeiner Noth
Auf's neu beginnt das Kleid zu reiben,
Als ſollte nicht ein Stäubchen bleiben:
Bis an die Stirne ſteigt das Roth.
Dann holt er tief und tiefer aus,
Und zitternd bricht die Stimm' heraus:
„Nein, lobt mich nicht, ich bin's nicht werth!
Ich will den ſchlimmſten Vorwurf dulden
Und daß ihr mir den Rücken kehrt;
Allein vergebt mir meine Schulden,
Der alte Feind hat mich bethört.
Der alte eingefreßne Zorn,
Im Herzen mir ein ſteter Dorn,
Seit ich in meinen jungen Tagen

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[453/0467] Verſammelt ſind im Krankenzimmer, Vegibt entſchloſſen ſich der Greis. Doch als er nun die Thüre lichtet, Auf ihn ſich jedes Auge richtet; Da, deut' ich recht der Finger Zucken, Am Gurt' das unbewußte Rucken, So ſinkt ein wenig ihm der Muth, Auch in die Wange tritt das Blut. „Wie, alter Vater! ſchlaft ihr nicht?“ Ruft ihm der Prior ſchon entgegen, „Nein, Maaß muß ſeyn in allen Wegen, Auch ihre Schranken hat die Pflicht. Ihr ſcheint's Euch heute vorzunehmen Uns alle gründlich zu beſchämen, Und Ihr ſeyd matt, man ſieht's Euch an. Zu Bett, zu Bett!“ Der alte Mann Steht lautlos, und in ſeiner Noth Auf's neu beginnt das Kleid zu reiben, Als ſollte nicht ein Stäubchen bleiben: Bis an die Stirne ſteigt das Roth. Dann holt er tief und tiefer aus, Und zitternd bricht die Stimm' heraus: „Nein, lobt mich nicht, ich bin's nicht werth! Ich will den ſchlimmſten Vorwurf dulden Und daß ihr mir den Rücken kehrt; Allein vergebt mir meine Schulden, Der alte Feind hat mich bethört. Der alte eingefreßne Zorn, Im Herzen mir ein ſteter Dorn, Seit ich in meinen jungen Tagen

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/467>, abgerufen am 25.11.2024.