Er dreht die Augen rings, er schwankt, Ihm hängt das Eis vom zott'gen Felle, Auf seinem Rücken liegt ein Kind, Ein armes Knäbchen, schier erfroren: Voll Reifen seine Löckchen sind; Die Hände hat es eingeklemmt In seines Trägers rauhe Ohren, Mit schwachen Beinchen sich gestemmt Um Barry's Leib: in Angst verloren Wagt's nicht zu schrein, nur allgemach Ein Thränchen rinnt dem andern nach. "O Barry, brav!" der Bruder hebt Das Kind empor, das schaudert, bebt, Sich immer noch nicht fassen kann, Die kalten Händchen nun und dann An sein geblendet Auge hebt, Und von dem wunderlichen Mann, Der, fort es tragend kos't und schilt, Sich angstvoll loszuwinden strebt. Hart nebenher, das Ebenbild Des Mönches schier, die Dogge trabt, Mit gleicher Einsicht fast begabt, Der auch den Knaben will ergötzen, Glutäugig, mit gehobnem Haupt Gar liebreich in die Höhe schnaubt, Und tummelt sich in wüsten Sätzen; Peitscht mit dem Schweif, steigt gähnend auf, Streckt seine breite Tatze auf Bis an das Kind, das vor Entsetzen Beginnt zu schrei'n, der Hund zu bellen:
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 28
Er dreht die Augen rings, er ſchwankt, Ihm hängt das Eis vom zott'gen Felle, Auf ſeinem Rücken liegt ein Kind, Ein armes Knäbchen, ſchier erfroren: Voll Reifen ſeine Löckchen ſind; Die Hände hat es eingeklemmt In ſeines Trägers rauhe Ohren, Mit ſchwachen Beinchen ſich geſtemmt Um Barry's Leib: in Angſt verloren Wagt's nicht zu ſchrein, nur allgemach Ein Thränchen rinnt dem andern nach. „O Barry, brav!“ der Bruder hebt Das Kind empor, das ſchaudert, bebt, Sich immer noch nicht faſſen kann, Die kalten Händchen nun und dann An ſein geblendet Auge hebt, Und von dem wunderlichen Mann, Der, fort es tragend koſ't und ſchilt, Sich angſtvoll loszuwinden ſtrebt. Hart nebenher, das Ebenbild Des Mönches ſchier, die Dogge trabt, Mit gleicher Einſicht faſt begabt, Der auch den Knaben will ergötzen, Glutäugig, mit gehobnem Haupt Gar liebreich in die Höhe ſchnaubt, Und tummelt ſich in wüſten Sätzen; Peitſcht mit dem Schweif, ſteigt gähnend auf, Streckt ſeine breite Tatze auf Bis an das Kind, das vor Entſetzen Beginnt zu ſchrei'n, der Hund zu bellen:
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 28
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Er dreht die Augen rings, er ſchwankt,
Ihm hängt das Eis vom zott'gen Felle,
Auf ſeinem Rücken liegt ein Kind,
Ein armes Knäbchen, ſchier erfroren:
Voll Reifen ſeine Löckchen ſind;
Die Hände hat es eingeklemmt
In ſeines Trägers rauhe Ohren,
Mit ſchwachen Beinchen ſich geſtemmt
Um Barry's Leib: in Angſt verloren
Wagt's nicht zu ſchrein, nur allgemach
Ein Thränchen rinnt dem andern nach.
„O Barry, brav!“ der Bruder hebt
Das Kind empor, das ſchaudert, bebt,
Sich immer noch nicht faſſen kann,
Die kalten Händchen nun und dann
An ſein geblendet Auge hebt,
Und von dem wunderlichen Mann,
Der, fort es tragend koſ't und ſchilt,
Sich angſtvoll loszuwinden ſtrebt.
Hart nebenher, das Ebenbild
Des Mönches ſchier, die Dogge trabt,
Mit gleicher Einſicht faſt begabt,
Der auch den Knaben will ergötzen,
Glutäugig, mit gehobnem Haupt
Gar liebreich in die Höhe ſchnaubt,
Und tummelt ſich in wüſten Sätzen;
Peitſcht mit dem Schweif, ſteigt gähnend auf,
Streckt ſeine breite Tatze auf
Bis an das Kind, das vor Entſetzen
Beginnt zu ſchrei'n, der Hund zu bellen:
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 28
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/447>, abgerufen am 25.11.2024.
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