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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Und nun: "Wohlan! es sey gewagt!
Uns hier der Morgen nimmer tagt."

Doch horch! ein Klang die Luft durchweht.
Der Alte steht und lauscht und steht --
Ein Zittern durch die Züge geht.
Auf's neu' der Ton herüber treibt,
Doch schwach nur unter'm Winde bleibt.
"Henry! Henry! leih mir dein Ohr!
Mein guter Junge, lausch hervor!"
Das Kind nur zögernd und betrübt
Sein fröstelnd Häuptlein aufwärts schiebt,
Ein Thränchen flirrt um Wang' und Mund:
"Großvater! 's ist ja nur ein Hund!"
"Ist's auch gewiß ein Hund, der bellt?
Mein Gott! du sahst die bittre Qual!
Dann sey's in deine Hand gestellt,
Dann wag' ich's nicht zum zweiten Mal."
Er steht und horcht: und horcht und steht,
Auf's neu' der Wind den Klang verweht.
Nun wieder heller -- ha! sie nah'n;
Schon räumt der greise Mann die Bahn.
Ganz nah -- sie drehn um jene Bucht; --
Ein Weilchen still -- dann, wie zum Spott,
Ganz aus der Ferne -- heil'ger Gott!
Sie ziehn vorüber an der Schlucht.
Des Alten morscher Körper nicht
Erträgt die Last des Schreckens mehr.
Es flirrt, es wirbelt um ihn her,
Noch hält er sich, noch sinkt er nicht.

Und nun: „Wohlan! es ſey gewagt!
Uns hier der Morgen nimmer tagt.“

Doch horch! ein Klang die Luft durchweht.
Der Alte ſteht und lauſcht und ſteht —
Ein Zittern durch die Züge geht.
Auf's neu' der Ton herüber treibt,
Doch ſchwach nur unter'm Winde bleibt.
„Henry! Henry! leih mir dein Ohr!
Mein guter Junge, lauſch hervor!“
Das Kind nur zögernd und betrübt
Sein fröſtelnd Häuptlein aufwärts ſchiebt,
Ein Thränchen flirrt um Wang' und Mund:
„Großvater! 's iſt ja nur ein Hund!“
„Iſt's auch gewiß ein Hund, der bellt?
Mein Gott! du ſahſt die bittre Qual!
Dann ſey's in deine Hand geſtellt,
Dann wag' ich's nicht zum zweiten Mal.“
Er ſteht und horcht: und horcht und ſteht,
Auf's neu' der Wind den Klang verweht.
Nun wieder heller — ha! ſie nah'n;
Schon räumt der greiſe Mann die Bahn.
Ganz nah — ſie drehn um jene Bucht; —
Ein Weilchen ſtill — dann, wie zum Spott,
Ganz aus der Ferne — heil'ger Gott!
Sie ziehn vorüber an der Schlucht.
Des Alten morſcher Körper nicht
Erträgt die Laſt des Schreckens mehr.
Es flirrt, es wirbelt um ihn her,
Noch hält er ſich, noch ſinkt er nicht.
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[426/0440] Und nun: „Wohlan! es ſey gewagt! Uns hier der Morgen nimmer tagt.“ Doch horch! ein Klang die Luft durchweht. Der Alte ſteht und lauſcht und ſteht — Ein Zittern durch die Züge geht. Auf's neu' der Ton herüber treibt, Doch ſchwach nur unter'm Winde bleibt. „Henry! Henry! leih mir dein Ohr! Mein guter Junge, lauſch hervor!“ Das Kind nur zögernd und betrübt Sein fröſtelnd Häuptlein aufwärts ſchiebt, Ein Thränchen flirrt um Wang' und Mund: „Großvater! 's iſt ja nur ein Hund!“ „Iſt's auch gewiß ein Hund, der bellt? Mein Gott! du ſahſt die bittre Qual! Dann ſey's in deine Hand geſtellt, Dann wag' ich's nicht zum zweiten Mal.“ Er ſteht und horcht: und horcht und ſteht, Auf's neu' der Wind den Klang verweht. Nun wieder heller — ha! ſie nah'n; Schon räumt der greiſe Mann die Bahn. Ganz nah — ſie drehn um jene Bucht; — Ein Weilchen ſtill — dann, wie zum Spott, Ganz aus der Ferne — heil'ger Gott! Sie ziehn vorüber an der Schlucht. Des Alten morſcher Körper nicht Erträgt die Laſt des Schreckens mehr. Es flirrt, es wirbelt um ihn her, Noch hält er ſich, noch ſinkt er nicht.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/440>, abgerufen am 25.11.2024.