Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Indeß des Tages matte Zeichen Allmählig von den Kuppen bleichen, Und, nach und nach, am Firmament Des Mondes Lampe still entbrennt; Verschwimmend, scheu, ihr zartes Licht Malt noch der Dinge Formen nicht. Doch allgemach aus Wolkenschleier Ersteht die klare Scheibe freier. Die Felsen scheinen sich zu regen, Geflimmer zittert über'n Schnee, Und langsam steigend aus der Höh' Die Schatten auf den Grund sich legen. Gebeugt, mit angestrengtem Schritt, Aus seiner Schlucht der Wandrer tritt In eine öde Fläche vor. Er steht -- er lauscht -- er trägt das Ohr Zur Erde bald und bald empor, Und alle Sinne lauschen mit. Er wendet sich, ob nichts vom Schalle Aus einer andern Richtung falle. -- Nur hohl und zischend sich die Luft In des Gesteines Spalten fängt, Und, mit Geknister, durch den Duft Zu Nacht gefall'ner Flocken drängt. Der Kälte, die den Stamm zerschellt, Kein Schirm sich hier entgegenstellt. Ach Gott, wohin! ringsum kein Steg, Sich überall die Ebne gleicht. Doch vorwärts, vorwärts, immer reg', Indeß des Tages matte Zeichen Allmählig von den Kuppen bleichen, Und, nach und nach, am Firmament Des Mondes Lampe ſtill entbrennt; Verſchwimmend, ſcheu, ihr zartes Licht Malt noch der Dinge Formen nicht. Doch allgemach aus Wolkenſchleier Erſteht die klare Scheibe freier. Die Felſen ſcheinen ſich zu regen, Geflimmer zittert über'n Schnee, Und langſam ſteigend aus der Höh' Die Schatten auf den Grund ſich legen. Gebeugt, mit angeſtrengtem Schritt, Aus ſeiner Schlucht der Wandrer tritt In eine öde Fläche vor. Er ſteht — er lauſcht — er trägt das Ohr Zur Erde bald und bald empor, Und alle Sinne lauſchen mit. Er wendet ſich, ob nichts vom Schalle Aus einer andern Richtung falle. — Nur hohl und ziſchend ſich die Luft In des Geſteines Spalten fängt, Und, mit Gekniſter, durch den Duft Zu Nacht gefall'ner Flocken drängt. Der Kälte, die den Stamm zerſchellt, Kein Schirm ſich hier entgegenſtellt. Ach Gott, wohin! ringsum kein Steg, Sich überall die Ebne gleicht. Doch vorwärts, vorwärts, immer reg', <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0420" n="406"/> <lg n="10"> <l>Indeß des Tages matte Zeichen</l><lb/> <l>Allmählig von den Kuppen bleichen,</l><lb/> <l>Und, nach und nach, am Firmament</l><lb/> <l>Des Mondes Lampe ſtill entbrennt;</l><lb/> <l>Verſchwimmend, ſcheu, ihr zartes Licht</l><lb/> <l>Malt noch der Dinge Formen nicht.</l><lb/> <l>Doch allgemach aus Wolkenſchleier</l><lb/> <l>Erſteht die klare Scheibe freier.</l><lb/> <l>Die Felſen ſcheinen ſich zu regen,</l><lb/> <l>Geflimmer zittert über'n Schnee,</l><lb/> <l>Und langſam ſteigend aus der Höh'</l><lb/> <l>Die Schatten auf den Grund ſich legen.</l><lb/> </lg> <lg n="11"> <l>Gebeugt, mit angeſtrengtem Schritt,</l><lb/> <l>Aus ſeiner Schlucht der Wandrer tritt</l><lb/> <l>In eine öde Fläche vor.</l><lb/> <l>Er ſteht — er lauſcht — er trägt das Ohr</l><lb/> <l>Zur Erde bald und bald empor,</l><lb/> <l>Und alle Sinne lauſchen mit.</l><lb/> <l>Er wendet ſich, ob nichts vom Schalle</l><lb/> <l>Aus einer andern Richtung falle. —</l><lb/> <l>Nur hohl und ziſchend ſich die Luft</l><lb/> <l>In des Geſteines Spalten fängt,</l><lb/> <l>Und, mit Gekniſter, durch den Duft</l><lb/> <l>Zu Nacht gefall'ner Flocken drängt.</l><lb/> <l>Der Kälte, die den Stamm zerſchellt,</l><lb/> <l>Kein Schirm ſich hier entgegenſtellt.</l><lb/> <l>Ach Gott, wohin! ringsum kein Steg,</l><lb/> <l>Sich überall die Ebne gleicht.</l><lb/> <l>Doch vorwärts, vorwärts, immer reg',</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [406/0420]
Indeß des Tages matte Zeichen
Allmählig von den Kuppen bleichen,
Und, nach und nach, am Firmament
Des Mondes Lampe ſtill entbrennt;
Verſchwimmend, ſcheu, ihr zartes Licht
Malt noch der Dinge Formen nicht.
Doch allgemach aus Wolkenſchleier
Erſteht die klare Scheibe freier.
Die Felſen ſcheinen ſich zu regen,
Geflimmer zittert über'n Schnee,
Und langſam ſteigend aus der Höh'
Die Schatten auf den Grund ſich legen.
Gebeugt, mit angeſtrengtem Schritt,
Aus ſeiner Schlucht der Wandrer tritt
In eine öde Fläche vor.
Er ſteht — er lauſcht — er trägt das Ohr
Zur Erde bald und bald empor,
Und alle Sinne lauſchen mit.
Er wendet ſich, ob nichts vom Schalle
Aus einer andern Richtung falle. —
Nur hohl und ziſchend ſich die Luft
In des Geſteines Spalten fängt,
Und, mit Gekniſter, durch den Duft
Zu Nacht gefall'ner Flocken drängt.
Der Kälte, die den Stamm zerſchellt,
Kein Schirm ſich hier entgegenſtellt.
Ach Gott, wohin! ringsum kein Steg,
Sich überall die Ebne gleicht.
Doch vorwärts, vorwärts, immer reg',
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