Ob sie ihn Christi Blut vereint? des Himmels Pforten auf¬ geschlossen? Wohl Schweres trug er mit Geduld, Doch willenlos, durch eigne Schuld!
Mit vierzig Jahren siecher Greis, ist er von Land zu Land geschlichen, Hat seines Namens Fluch gehört und ist zur Seite scheu gewichen, Aus mancher Hand, die ihm gedient, hat er das Bettelbrod gebrochen, Und ist, ein todeskranker Mann, an dieses Hügels Bug ge¬ krochen, An diesen Hügel -- ew'ge Macht! Er schaudert auf; -- Sylvesternacht!
Der Föhrenwald -- das öde Haus -- dort stand der Priester, dort am Hagen -- O, in der Sterbestunde hat sein irrer Fuß ihn hergetragen, Das ist kein Schemen, dieses nicht; dort streckt Sankt Michael die Flügel, Dort kreucht am Fußgestell der Drach' und schlägt die Kralle in den Hügel; Des Greises Auge dunkelt, wild Die Agonie zum Haupte quillt.
Das Buch -- das Buch -- er sieht das Buch -- o Gottes¬ mutter, Gnade! Gnade! Er liebte dich, er liebte dich in Sünd' und Schmach! -- gleich einem Rade
Ob ſie ihn Chriſti Blut vereint? des Himmels Pforten auf¬ geſchloſſen? Wohl Schweres trug er mit Geduld, Doch willenlos, durch eigne Schuld!
Mit vierzig Jahren ſiecher Greis, iſt er von Land zu Land geſchlichen, Hat ſeines Namens Fluch gehört und iſt zur Seite ſcheu gewichen, Aus mancher Hand, die ihm gedient, hat er das Bettelbrod gebrochen, Und iſt, ein todeskranker Mann, an dieſes Hügels Bug ge¬ krochen, An dieſen Hügel — ew'ge Macht! Er ſchaudert auf; — Sylveſternacht!
Der Föhrenwald — das öde Haus — dort ſtand der Prieſter, dort am Hagen — O, in der Sterbeſtunde hat ſein irrer Fuß ihn hergetragen, Das iſt kein Schemen, dieſes nicht; dort ſtreckt Sankt Michael die Flügel, Dort kreucht am Fußgeſtell der Drach' und ſchlägt die Kralle in den Hügel; Des Greiſes Auge dunkelt, wild Die Agonie zum Haupte quillt.
Das Buch — das Buch — er ſieht das Buch — o Gottes¬ mutter, Gnade! Gnade! Er liebte dich, er liebte dich in Sünd' und Schmach! — gleich einem Rade
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Ob ſie ihn Chriſti Blut vereint? des Himmels Pforten auf¬
geſchloſſen?
Wohl Schweres trug er mit Geduld,
Doch willenlos, durch eigne Schuld!
Mit vierzig Jahren ſiecher Greis, iſt er von Land zu Land
geſchlichen,
Hat ſeines Namens Fluch gehört und iſt zur Seite ſcheu
gewichen,
Aus mancher Hand, die ihm gedient, hat er das Bettelbrod
gebrochen,
Und iſt, ein todeskranker Mann, an dieſes Hügels Bug ge¬
krochen,
An dieſen Hügel — ew'ge Macht!
Er ſchaudert auf; — Sylveſternacht!
Der Föhrenwald — das öde Haus — dort ſtand der Prieſter,
dort am Hagen —
O, in der Sterbeſtunde hat ſein irrer Fuß ihn hergetragen,
Das iſt kein Schemen, dieſes nicht; dort ſtreckt Sankt Michael
die Flügel,
Dort kreucht am Fußgeſtell der Drach' und ſchlägt die Kralle
in den Hügel;
Des Greiſes Auge dunkelt, wild
Die Agonie zum Haupte quillt.
Das Buch — das Buch — er ſieht das Buch — o Gottes¬
mutter, Gnade! Gnade!
Er liebte dich, er liebte dich in Sünd' und Schmach! —
gleich einem Rade
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/408>, abgerufen am 16.02.2025.
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