Und von dem kargen Lebensheerd Ein Jahresscheit ist weggezehrt.
Auch jetzt, in dieser Stunde, steht er lautlos, mit gestreck¬ ten Knieen, Nur leises Aechzen und voran! -- schau, schau, wie seine Muskeln ziehen! Voran! -- das Heilthum -- der Krystall -- er lehnt sich an die Wand, er schwindelt, Ein angstvoll Zupfen -- ein Gestöhn -- er hat den Nagel losgewindelt, Und stößt ihn dicht am Heil'genschrein In der Phiole Siegel ein.
Hui! knallt der Pfropfen, hui, fährt das Glas in Millionen Splitter! Gewinsel hier, Gewinsel dort und spinnefüßelndes Geflitter; Es hackt und prickelt nach dem Mann, der unterm Gnaden¬ bilde wimmert, Bis Faser sich an Faser lischt, des Centrums letzter Hauch verschimmert, Und an der Gotteslampe steigt Das Haupt des Täuschers, schneegebleicht.
VI.
Weh, Glockensturm! Trompetenstoß! und Spritzen rasseln durch die Gassen, Der aufgeschreckte Pöbel drängt und kräuselt sich in wüsten Massen,
Und von dem kargen Lebensheerd Ein Jahresſcheit iſt weggezehrt.
Auch jetzt, in dieſer Stunde, ſteht er lautlos, mit geſtreck¬ ten Knieen, Nur leiſes Aechzen und voran! — ſchau, ſchau, wie ſeine Muskeln ziehen! Voran! — das Heilthum — der Kryſtall — er lehnt ſich an die Wand, er ſchwindelt, Ein angſtvoll Zupfen — ein Geſtöhn — er hat den Nagel losgewindelt, Und ſtößt ihn dicht am Heil'genſchrein In der Phiole Siegel ein.
Hui! knallt der Pfropfen, hui, fährt das Glas in Millionen Splitter! Gewinſel hier, Gewinſel dort und ſpinnefüßelndes Geflitter; Es hackt und prickelt nach dem Mann, der unterm Gnaden¬ bilde wimmert, Bis Faſer ſich an Faſer liſcht, des Centrums letzter Hauch verſchimmert, Und an der Gotteslampe ſteigt Das Haupt des Täuſchers, ſchneegebleicht.
VI.
Weh, Glockenſturm! Trompetenſtoß! und Spritzen raſſeln durch die Gaſſen, Der aufgeſchreckte Pöbel drängt und kräuſelt ſich in wüſten Maſſen,
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Und von dem kargen Lebensheerd
Ein Jahresſcheit iſt weggezehrt.
Auch jetzt, in dieſer Stunde, ſteht er lautlos, mit geſtreck¬
ten Knieen,
Nur leiſes Aechzen und voran! — ſchau, ſchau, wie ſeine
Muskeln ziehen!
Voran! — das Heilthum — der Kryſtall — er lehnt ſich an
die Wand, er ſchwindelt,
Ein angſtvoll Zupfen — ein Geſtöhn — er hat den Nagel
losgewindelt,
Und ſtößt ihn dicht am Heil'genſchrein
In der Phiole Siegel ein.
Hui! knallt der Pfropfen, hui, fährt das Glas in Millionen
Splitter!
Gewinſel hier, Gewinſel dort und ſpinnefüßelndes Geflitter;
Es hackt und prickelt nach dem Mann, der unterm Gnaden¬
bilde wimmert,
Bis Faſer ſich an Faſer liſcht, des Centrums letzter Hauch
verſchimmert,
Und an der Gotteslampe ſteigt
Das Haupt des Täuſchers, ſchneegebleicht.
VI.
Weh, Glockenſturm! Trompetenſtoß! und Spritzen raſſeln
durch die Gaſſen,
Der aufgeſchreckte Pöbel drängt und kräuſelt ſich in wüſten
Maſſen,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/404>, abgerufen am 22.02.2025.
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