Genüber, feingeschnitzelt, lehnt die Gnadenmutter mit dem Kinde, Das sein vergoldet Händchen streckt wie segnend aus der Mauerspinde, Und drunter, in Kristall gehegt, von funkelndem Gestein umbunden, Ein überköstlich Heiligthum, ein Nagel aus des Heilands Wunden; Zu seiner Ehre Nacht für Nacht Das Lämpchen am Gestelle wacht.
Nie hat, in aller Schuld und Noth, der Täuscher einen Tag beschlossen. Daß nicht an dieser Schwelle ihm ein glüher Seufzer wär' entflossen, Selbst auf der Fahrt, auf nächt'gem Ritt, dämmert sein Auge in die Weite, Von des Polacken Rücken hat er mühsam sich gebeugt zur Seite, Und sein beladnes Haupt geneigt Woher das Kind die Händlein reicht.
Ein scheuer Bettler Tag für Tag so steht er an des Himmels Pforte, Er schlägt kein Kreuz, er beugt kein Knie, nicht kennt sein Odem Gnadenworte, Schlaftrunknes Murmeln nur und glüh fühlt er's durch die Phiole ranken, Die seinem Leibe angetraut wie ragend Krebsgeschwür dem Kranken,
Genüber, feingeſchnitzelt, lehnt die Gnadenmutter mit dem Kinde, Das ſein vergoldet Händchen ſtreckt wie ſegnend aus der Mauerſpinde, Und drunter, in Kriſtall gehegt, von funkelndem Geſtein umbunden, Ein überköſtlich Heiligthum, ein Nagel aus des Heilands Wunden; Zu ſeiner Ehre Nacht für Nacht Das Lämpchen am Geſtelle wacht.
Nie hat, in aller Schuld und Noth, der Täuſcher einen Tag beſchloſſen. Daß nicht an dieſer Schwelle ihm ein glüher Seufzer wär' entfloſſen, Selbſt auf der Fahrt, auf nächt'gem Ritt, dämmert ſein Auge in die Weite, Von des Polacken Rücken hat er mühſam ſich gebeugt zur Seite, Und ſein beladnes Haupt geneigt Woher das Kind die Händlein reicht.
Ein ſcheuer Bettler Tag für Tag ſo ſteht er an des Himmels Pforte, Er ſchlägt kein Kreuz, er beugt kein Knie, nicht kennt ſein Odem Gnadenworte, Schlaftrunknes Murmeln nur und glüh fühlt er's durch die Phiole ranken, Die ſeinem Leibe angetraut wie ragend Krebsgeſchwür dem Kranken,
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Genüber, feingeſchnitzelt, lehnt die Gnadenmutter mit dem
Kinde,
Das ſein vergoldet Händchen ſtreckt wie ſegnend aus der
Mauerſpinde,
Und drunter, in Kriſtall gehegt, von funkelndem Geſtein
umbunden,
Ein überköſtlich Heiligthum, ein Nagel aus des Heilands
Wunden;
Zu ſeiner Ehre Nacht für Nacht
Das Lämpchen am Geſtelle wacht.
Nie hat, in aller Schuld und Noth, der Täuſcher einen Tag
beſchloſſen.
Daß nicht an dieſer Schwelle ihm ein glüher Seufzer wär'
entfloſſen,
Selbſt auf der Fahrt, auf nächt'gem Ritt, dämmert ſein
Auge in die Weite,
Von des Polacken Rücken hat er mühſam ſich gebeugt zur
Seite,
Und ſein beladnes Haupt geneigt
Woher das Kind die Händlein reicht.
Ein ſcheuer Bettler Tag für Tag ſo ſteht er an des Himmels
Pforte,
Er ſchlägt kein Kreuz, er beugt kein Knie, nicht kennt ſein
Odem Gnadenworte,
Schlaftrunknes Murmeln nur und glüh fühlt er's durch die
Phiole ranken,
Die ſeinem Leibe angetraut wie ragend Krebsgeſchwür dem
Kranken,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/403>, abgerufen am 16.02.2025.
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