Acht, wo ihr Mann das Schächtelein hinsetze, und bemerkte, daß er es in einem besonders von ihm gemachten Täschchen in dem Bund seiner Beinkleider verwahre. In der Nacht stand sie auf, zog es hervor und öffnete es: da flog eine schwarze sausende Fliege heraus und nahm ihren Weg durch das Fenster hin. Sie machte den Deckel wieder darauf und legte es an seinen Ort, unbesorgt wie es ab¬ laufen würde. Allein von Stund an verwandelte sich all das vorige Glück in das empfindlichste Unglück. Die Pferde fielen oder wurden gestohlen. Das Korn verdarb auf dem Boden, das Haus brannte zu dreienmalen ab, und der gesammelte Reichthum verschwand zu¬ sehends. Der Mann gerieth in Schulden und ward ganz arm, so daß er in Verzweiflung erst seine Frau mit einem Messer tödtete, dann sich selbst eine Kugel durch den Kopf schoß.
Trutz Simplex Leben der Landstörzerin Courage. Cap. 18
und 23. Der Leipziger Avanturier. Frkft. u. Lpzg. 1756. Th. 2.
S. 38-42.
Den hier angegebenen Kennzeichen des Spiritus familiaris fügt der Volksglaube an manchen Orten noch andere hinzu. Seine un¬ unterbrochenen Bewegungen sollen von einem feinen knisternden Ge¬ räusch begleitet seyn, was den Träger Andern unheimlich und dem Wissenden kenntlich mache. Ueber Tag sey er schwarz, gebe aber im Dunkeln ein starkes phosphorisches Licht von sich, und so oft der Besitzer eine Kirche betrete, bete, oder sich nur einem frommen Gedanken überlasse, bekomme einer seiner feinen zahllosen Füße oder Fühlhörner die Macht, das Glas zu durchdringen und demselben einen Stich zu geben, der jedesmal die Lebenskraft bedeutend schwäche. Auch sollen seine Gaben dies mit andern höllischen gemein haben, daß sie zwar nicht wie diese zu Kohlen, aber schon in der zweiten Hand verderblich werden, das Vieh falle, das Getreide verderbe, oder, bis zur Aussaat gebracht, nicht keime, so daß dem Käufer von dem scheinbar vortheilhaftesten Handel nur der schlimmste Schaden bleibe. -- Als Orte, wo die Fläschlein zu erhalten sind, wird bald ein Kreuzweg, bald der Rabenstein, bald ein leerstehendes, durch darin begangene Verbrechen dem Bösen anheim gefallenes Haus bezeichnet.
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 24
Acht, wo ihr Mann das Schächtelein hinſetze, und bemerkte, daß er es in einem beſonders von ihm gemachten Täſchchen in dem Bund ſeiner Beinkleider verwahre. In der Nacht ſtand ſie auf, zog es hervor und öffnete es: da flog eine ſchwarze ſauſende Fliege heraus und nahm ihren Weg durch das Fenſter hin. Sie machte den Deckel wieder darauf und legte es an ſeinen Ort, unbeſorgt wie es ab¬ laufen würde. Allein von Stund an verwandelte ſich all das vorige Glück in das empfindlichſte Unglück. Die Pferde fielen oder wurden geſtohlen. Das Korn verdarb auf dem Boden, das Haus brannte zu dreienmalen ab, und der geſammelte Reichthum verſchwand zu¬ ſehends. Der Mann gerieth in Schulden und ward ganz arm, ſo daß er in Verzweiflung erſt ſeine Frau mit einem Meſſer tödtete, dann ſich ſelbſt eine Kugel durch den Kopf ſchoß.
Trutz Simplex Leben der Landſtörzerin Courage. Cap. 18
und 23. Der Leipziger Avanturier. Frkft. u. Lpzg. 1756. Th. 2.
S. 38–42.
Den hier angegebenen Kennzeichen des Spiritus familiaris fügt der Volksglaube an manchen Orten noch andere hinzu. Seine un¬ unterbrochenen Bewegungen ſollen von einem feinen kniſternden Ge¬ räuſch begleitet ſeyn, was den Träger Andern unheimlich und dem Wiſſenden kenntlich mache. Ueber Tag ſey er ſchwarz, gebe aber im Dunkeln ein ſtarkes phosphoriſches Licht von ſich, und ſo oft der Beſitzer eine Kirche betrete, bete, oder ſich nur einem frommen Gedanken überlaſſe, bekomme einer ſeiner feinen zahlloſen Füße oder Fühlhörner die Macht, das Glas zu durchdringen und demſelben einen Stich zu geben, der jedesmal die Lebenskraft bedeutend ſchwäche. Auch ſollen ſeine Gaben dies mit andern hölliſchen gemein haben, daß ſie zwar nicht wie dieſe zu Kohlen, aber ſchon in der zweiten Hand verderblich werden, das Vieh falle, das Getreide verderbe, oder, bis zur Ausſaat gebracht, nicht keime, ſo daß dem Käufer von dem ſcheinbar vortheilhafteſten Handel nur der ſchlimmſte Schaden bleibe. — Als Orte, wo die Fläſchlein zu erhalten ſind, wird bald ein Kreuzweg, bald der Rabenſtein, bald ein leerſtehendes, durch darin begangene Verbrechen dem Böſen anheim gefallenes Haus bezeichnet.
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 24
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0383"n="369"/>
Acht, wo ihr Mann das Schächtelein hinſetze, und bemerkte, daß er<lb/>
es in einem beſonders von ihm gemachten Täſchchen in dem Bund<lb/>ſeiner Beinkleider verwahre. In der Nacht ſtand ſie auf, zog es<lb/>
hervor und öffnete es: da flog eine ſchwarze ſauſende Fliege heraus<lb/>
und nahm ihren Weg durch das Fenſter hin. Sie machte den Deckel<lb/>
wieder darauf und legte es an ſeinen Ort, unbeſorgt wie es ab¬<lb/>
laufen würde. Allein von Stund an verwandelte ſich all das vorige<lb/>
Glück in das empfindlichſte Unglück. Die Pferde fielen oder wurden<lb/>
geſtohlen. Das Korn verdarb auf dem Boden, das Haus brannte<lb/>
zu dreienmalen ab, und der geſammelte Reichthum verſchwand zu¬<lb/>ſehends. Der Mann gerieth in Schulden und ward ganz arm, ſo<lb/>
daß er in Verzweiflung erſt ſeine Frau mit einem Meſſer tödtete,<lb/>
dann ſich ſelbſt eine Kugel durch den Kopf ſchoß.</p><lb/><p>Trutz Simplex Leben der Landſtörzerin <hirendition="#aq">Courage</hi>. Cap. 18</p><lb/><p>und 23.<lb/>
Der Leipziger <hirendition="#aq">Avanturier</hi>. Frkft. u. Lpzg. 1756. Th. 2.</p><lb/><p>S. 38–42.</p><lb/><p>Den hier angegebenen Kennzeichen des <hirendition="#aq">Spiritus familiaris</hi> fügt<lb/>
der Volksglaube an manchen Orten noch andere hinzu. Seine un¬<lb/>
unterbrochenen Bewegungen ſollen von einem feinen kniſternden Ge¬<lb/>
räuſch begleitet ſeyn, was den Träger Andern unheimlich und dem<lb/>
Wiſſenden kenntlich mache. Ueber Tag ſey er ſchwarz, gebe aber<lb/>
im Dunkeln ein ſtarkes phosphoriſches Licht von ſich, und ſo oft<lb/>
der Beſitzer eine Kirche betrete, bete, oder ſich nur einem frommen<lb/>
Gedanken überlaſſe, bekomme einer ſeiner feinen zahlloſen Füße oder<lb/>
Fühlhörner die Macht, das Glas zu durchdringen und demſelben<lb/>
einen Stich zu geben, der jedesmal die Lebenskraft bedeutend ſchwäche.<lb/>
Auch ſollen ſeine Gaben dies mit andern hölliſchen gemein haben,<lb/>
daß ſie zwar nicht wie dieſe zu Kohlen, aber ſchon in der zweiten<lb/>
Hand verderblich werden, das Vieh falle, das Getreide verderbe,<lb/>
oder, bis zur Ausſaat gebracht, nicht keime, ſo daß dem Käufer<lb/>
von dem ſcheinbar vortheilhafteſten Handel nur der ſchlimmſte Schaden<lb/>
bleibe. — Als Orte, wo die Fläſchlein zu erhalten ſind, wird bald<lb/>
ein Kreuzweg, bald der Rabenſtein, bald ein leerſtehendes, durch<lb/>
darin begangene Verbrechen dem Böſen anheim gefallenes Haus<lb/>
bezeichnet.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">v</hi>. <hirendition="#g">Droste-Hülshof</hi>, Gedichte. 24<lb/></fw></div></div></body></text></TEI>
[369/0383]
Acht, wo ihr Mann das Schächtelein hinſetze, und bemerkte, daß er
es in einem beſonders von ihm gemachten Täſchchen in dem Bund
ſeiner Beinkleider verwahre. In der Nacht ſtand ſie auf, zog es
hervor und öffnete es: da flog eine ſchwarze ſauſende Fliege heraus
und nahm ihren Weg durch das Fenſter hin. Sie machte den Deckel
wieder darauf und legte es an ſeinen Ort, unbeſorgt wie es ab¬
laufen würde. Allein von Stund an verwandelte ſich all das vorige
Glück in das empfindlichſte Unglück. Die Pferde fielen oder wurden
geſtohlen. Das Korn verdarb auf dem Boden, das Haus brannte
zu dreienmalen ab, und der geſammelte Reichthum verſchwand zu¬
ſehends. Der Mann gerieth in Schulden und ward ganz arm, ſo
daß er in Verzweiflung erſt ſeine Frau mit einem Meſſer tödtete,
dann ſich ſelbſt eine Kugel durch den Kopf ſchoß.
Trutz Simplex Leben der Landſtörzerin Courage. Cap. 18
und 23.
Der Leipziger Avanturier. Frkft. u. Lpzg. 1756. Th. 2.
S. 38–42.
Den hier angegebenen Kennzeichen des Spiritus familiaris fügt
der Volksglaube an manchen Orten noch andere hinzu. Seine un¬
unterbrochenen Bewegungen ſollen von einem feinen kniſternden Ge¬
räuſch begleitet ſeyn, was den Träger Andern unheimlich und dem
Wiſſenden kenntlich mache. Ueber Tag ſey er ſchwarz, gebe aber
im Dunkeln ein ſtarkes phosphoriſches Licht von ſich, und ſo oft
der Beſitzer eine Kirche betrete, bete, oder ſich nur einem frommen
Gedanken überlaſſe, bekomme einer ſeiner feinen zahlloſen Füße oder
Fühlhörner die Macht, das Glas zu durchdringen und demſelben
einen Stich zu geben, der jedesmal die Lebenskraft bedeutend ſchwäche.
Auch ſollen ſeine Gaben dies mit andern hölliſchen gemein haben,
daß ſie zwar nicht wie dieſe zu Kohlen, aber ſchon in der zweiten
Hand verderblich werden, das Vieh falle, das Getreide verderbe,
oder, bis zur Ausſaat gebracht, nicht keime, ſo daß dem Käufer
von dem ſcheinbar vortheilhafteſten Handel nur der ſchlimmſte Schaden
bleibe. — Als Orte, wo die Fläſchlein zu erhalten ſind, wird bald
ein Kreuzweg, bald der Rabenſtein, bald ein leerſtehendes, durch
darin begangene Verbrechen dem Böſen anheim gefallenes Haus
bezeichnet.
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 24
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/383>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.