Deutsche Sagen; herausgegeben von den Gebrüdern Grimm. Berlin. 1816. Nr. 84.
Spiritus familiaris.
Er wird gemeiniglich in einem wohlverschlossenen Gläslein auf¬ bewahrt, sieht aus nicht recht wie eine Spinne, nicht recht wie ein Skorpion, bewegt sich aber ohne Unterlaß. Wer diesen kauft, bei dem bleibt er, er mag das Fläschlein hinlegen wohin er will, immer kehrt er von selbst zu ihm zurück. Er bringt großes Glück, läßt verborgene Schätze sehen, macht bei Freunden geliebt, bei Feinden gefürchtet, im Kriege fest wie Stahl und Eisen, also daß sein Be¬ sitzer immer den Sieg hat, auch behütet er vor Haft und Gefäng¬ niß. Man braucht ihn nicht zu pflegen, zu baden und kleiden, wie ein Galgenmännlein. Wer ihn aber behält bis er stirbt, der muß mit ihm in die Hölle, darum sucht ihn der Besitzer wieder los zu werden. -- --
Ein Soldat, der ihn für eine Krone gekauft und den gefähr¬ lichen Geist kennen lernte, warf ihn seinem vorigen Besitzer vor die Füße und eilte fort; als er zu Hause ankam, fand er ihn wieder in seiner Tasche. Nicht besser ging es ihm, als er ihn in die Donau warf.
Ein Augsburgischer Roßtäuscher und Fuhrmann zog in eine berühmte deutsche Stadt ein. Der Weg hatte seine Thiere sehr mitgenommen, im Thor fiel ihm ein Pferd, im Gasthaus das zweite und binnen wenigen Tagen die übrigen sechs. Er wußte sich nicht zu helfen, ging in der Stadt umher, und klagte den Leuten mit Thränen seine Noth. Nun begab sich's, daß ein anderer Fuhrmann ihm begegnete, dem er sein Unglück erzählte. Dieser sprach: "seyd ohne Sorgen, ich will euch ein Mittel vorschlagen, dessen ihr mir danken sollt." Der Roßtäuscher meinte, dieß wären leere Worte. "Nein, nein, Gesell, euch soll geholfen werden. Geht in jenes
Derspiritus familiaris des Roßtäuſchers.
Deutſche Sagen; herausgegeben von den Gebrüdern Grimm. Berlin. 1816. Nr. 84.
Spiritus familiaris.
Er wird gemeiniglich in einem wohlverſchloſſenen Gläslein auf¬ bewahrt, ſieht aus nicht recht wie eine Spinne, nicht recht wie ein Skorpion, bewegt ſich aber ohne Unterlaß. Wer dieſen kauft, bei dem bleibt er, er mag das Fläſchlein hinlegen wohin er will, immer kehrt er von ſelbſt zu ihm zurück. Er bringt großes Glück, läßt verborgene Schätze ſehen, macht bei Freunden geliebt, bei Feinden gefürchtet, im Kriege feſt wie Stahl und Eiſen, alſo daß ſein Be¬ ſitzer immer den Sieg hat, auch behütet er vor Haft und Gefäng¬ niß. Man braucht ihn nicht zu pflegen, zu baden und kleiden, wie ein Galgenmännlein. Wer ihn aber behält bis er ſtirbt, der muß mit ihm in die Hölle, darum ſucht ihn der Beſitzer wieder los zu werden. — —
Ein Soldat, der ihn für eine Krone gekauft und den gefähr¬ lichen Geiſt kennen lernte, warf ihn ſeinem vorigen Beſitzer vor die Füße und eilte fort; als er zu Hauſe ankam, fand er ihn wieder in ſeiner Taſche. Nicht beſſer ging es ihm, als er ihn in die Donau warf.
Ein Augsburgiſcher Roßtäuſcher und Fuhrmann zog in eine berühmte deutſche Stadt ein. Der Weg hatte ſeine Thiere ſehr mitgenommen, im Thor fiel ihm ein Pferd, im Gaſthaus das zweite und binnen wenigen Tagen die übrigen ſechs. Er wußte ſich nicht zu helfen, ging in der Stadt umher, und klagte den Leuten mit Thränen ſeine Noth. Nun begab ſich's, daß ein anderer Fuhrmann ihm begegnete, dem er ſein Unglück erzählte. Dieſer ſprach: „ſeyd ohne Sorgen, ich will euch ein Mittel vorſchlagen, deſſen ihr mir danken ſollt.“ Der Roßtäuſcher meinte, dieß wären leere Worte. „Nein, nein, Geſell, euch ſoll geholfen werden. Geht in jenes
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0381"n="367"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Der</hi><hirendition="#aq #b">spiritus familiaris</hi><lb/><hirendition="#g">des Roßtäuſchers.</hi><lb/></head><prendition="#c">Deutſche Sagen; herausgegeben von den Gebrüdern<lb/>
Grimm. Berlin. 1816. Nr. 84.</p><lb/><prendition="#c"><hirendition="#aq #b">Spiritus familiaris.</hi></p><lb/><p>Er wird gemeiniglich in einem wohlverſchloſſenen Gläslein auf¬<lb/>
bewahrt, ſieht aus nicht recht wie eine Spinne, nicht recht wie ein<lb/>
Skorpion, bewegt ſich aber ohne Unterlaß. Wer dieſen kauft, bei<lb/>
dem bleibt er, er mag das Fläſchlein hinlegen wohin er will, immer<lb/>
kehrt er von ſelbſt zu ihm zurück. Er bringt großes Glück, läßt<lb/>
verborgene Schätze ſehen, macht bei Freunden geliebt, bei Feinden<lb/>
gefürchtet, im Kriege feſt wie Stahl und Eiſen, alſo daß ſein Be¬<lb/>ſitzer immer den Sieg hat, auch behütet er vor Haft und Gefäng¬<lb/>
niß. Man braucht ihn nicht zu pflegen, zu baden und kleiden, wie<lb/>
ein Galgenmännlein. Wer ihn aber behält bis er ſtirbt, der muß<lb/>
mit ihm in die Hölle, darum ſucht ihn der Beſitzer wieder los zu<lb/>
werden. ——</p><lb/><p>Ein Soldat, der ihn für eine Krone gekauft und den gefähr¬<lb/>
lichen Geiſt kennen lernte, warf ihn ſeinem vorigen Beſitzer vor die<lb/>
Füße und eilte fort; als er zu Hauſe ankam, fand er ihn wieder<lb/>
in ſeiner Taſche. Nicht beſſer ging es ihm, als er ihn in die<lb/>
Donau warf.</p><lb/><p>Ein Augsburgiſcher Roßtäuſcher und Fuhrmann zog in eine<lb/>
berühmte deutſche Stadt ein. Der Weg hatte ſeine Thiere ſehr<lb/>
mitgenommen, im Thor fiel ihm ein Pferd, im Gaſthaus das zweite<lb/>
und binnen wenigen Tagen die übrigen ſechs. Er wußte ſich nicht<lb/>
zu helfen, ging in der Stadt umher, und klagte den Leuten mit<lb/>
Thränen ſeine Noth. Nun begab ſich's, daß ein anderer Fuhrmann<lb/>
ihm begegnete, dem er ſein Unglück erzählte. Dieſer ſprach: „ſeyd<lb/>
ohne Sorgen, ich will euch ein Mittel vorſchlagen, deſſen ihr mir<lb/>
danken ſollt.“ Der Roßtäuſcher meinte, dieß wären leere Worte.<lb/>„Nein, nein, Geſell, euch ſoll geholfen werden. Geht in jenes<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[367/0381]
Der spiritus familiaris
des Roßtäuſchers.
Deutſche Sagen; herausgegeben von den Gebrüdern
Grimm. Berlin. 1816. Nr. 84.
Spiritus familiaris.
Er wird gemeiniglich in einem wohlverſchloſſenen Gläslein auf¬
bewahrt, ſieht aus nicht recht wie eine Spinne, nicht recht wie ein
Skorpion, bewegt ſich aber ohne Unterlaß. Wer dieſen kauft, bei
dem bleibt er, er mag das Fläſchlein hinlegen wohin er will, immer
kehrt er von ſelbſt zu ihm zurück. Er bringt großes Glück, läßt
verborgene Schätze ſehen, macht bei Freunden geliebt, bei Feinden
gefürchtet, im Kriege feſt wie Stahl und Eiſen, alſo daß ſein Be¬
ſitzer immer den Sieg hat, auch behütet er vor Haft und Gefäng¬
niß. Man braucht ihn nicht zu pflegen, zu baden und kleiden, wie
ein Galgenmännlein. Wer ihn aber behält bis er ſtirbt, der muß
mit ihm in die Hölle, darum ſucht ihn der Beſitzer wieder los zu
werden. — —
Ein Soldat, der ihn für eine Krone gekauft und den gefähr¬
lichen Geiſt kennen lernte, warf ihn ſeinem vorigen Beſitzer vor die
Füße und eilte fort; als er zu Hauſe ankam, fand er ihn wieder
in ſeiner Taſche. Nicht beſſer ging es ihm, als er ihn in die
Donau warf.
Ein Augsburgiſcher Roßtäuſcher und Fuhrmann zog in eine
berühmte deutſche Stadt ein. Der Weg hatte ſeine Thiere ſehr
mitgenommen, im Thor fiel ihm ein Pferd, im Gaſthaus das zweite
und binnen wenigen Tagen die übrigen ſechs. Er wußte ſich nicht
zu helfen, ging in der Stadt umher, und klagte den Leuten mit
Thränen ſeine Noth. Nun begab ſich's, daß ein anderer Fuhrmann
ihm begegnete, dem er ſein Unglück erzählte. Dieſer ſprach: „ſeyd
ohne Sorgen, ich will euch ein Mittel vorſchlagen, deſſen ihr mir
danken ſollt.“ Der Roßtäuſcher meinte, dieß wären leere Worte.
„Nein, nein, Geſell, euch ſoll geholfen werden. Geht in jenes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/381>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.