Und wieder sah ich die mich geboren, Verbannt, verstoßen vom heiligen Grund, O, nimmer hab' ich das Bild verloren, Es folgt mir noch in der Todesstund!
Und Er? -- hat keine Wimper geregt, Und keine Muskel gezuckt, Der Stuhl, auf den seine Hand gelegt, Nur einmal leise geruckt. Ihr folgend mit den stechenden Blicken Wandt' er sich langsam wie sie schritt, Doch als er sie an's Closet sah drücken, Da zuckte er auf, als wolle er mit.
Und "Arnold!" rief's aus dem Geldverließ, -- Er beugte vornüber, weit -- Und wieder "Arnold!" so klagend süß, -- Er legte die Feder bei Seit' -- Zum dritten Mal, wie die blutige Trauer, "Arnold!" -- den Meerschaumkopf im Nu Erfaßt er, schleudert' ihn gegen die Mauer, Schritt in's Closet und riegelte zu.
Wir aber stürzten in wilder Hast Hinaus an das Abendroth, Wir hatten uns bei den Händen gefaßt, Und weinten uns schier zu todt. Die ganze Nacht hat die Lampe geglommen, Geknattert im Saal des Kamines Rost, Und als der dritte Abend gekommen, Da setzte der Vater sich auf die Post.
Und wieder ſah ich die mich geboren, Verbannt, verſtoßen vom heiligen Grund, O, nimmer hab' ich das Bild verloren, Es folgt mir noch in der Todesſtund!
Und Er? — hat keine Wimper geregt, Und keine Muskel gezuckt, Der Stuhl, auf den ſeine Hand gelegt, Nur einmal leiſe geruckt. Ihr folgend mit den ſtechenden Blicken Wandt' er ſich langſam wie ſie ſchritt, Doch als er ſie an's Cloſet ſah drücken, Da zuckte er auf, als wolle er mit.
Und „Arnold!“ rief's aus dem Geldverließ, — Er beugte vornüber, weit — Und wieder „Arnold!“ ſo klagend ſüß, — Er legte die Feder bei Seit' — Zum dritten Mal, wie die blutige Trauer, „Arnold!“ — den Meerſchaumkopf im Nu Erfaßt er, ſchleudert' ihn gegen die Mauer, Schritt in's Cloſet und riegelte zu.
Wir aber ſtürzten in wilder Haſt Hinaus an das Abendroth, Wir hatten uns bei den Händen gefaßt, Und weinten uns ſchier zu todt. Die ganze Nacht hat die Lampe geglommen, Geknattert im Saal des Kamines Roſt, Und als der dritte Abend gekommen, Da ſetzte der Vater ſich auf die Poſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="6"><pbfacs="#f0362"n="348"/><l>Und wieder ſah ich die mich geboren,</l><lb/><l>Verbannt, verſtoßen vom heiligen Grund,</l><lb/><l>O, nimmer hab' ich das Bild verloren,</l><lb/><l>Es folgt mir noch in der Todesſtund!</l><lb/></lg><lgn="7"><l>Und Er? — hat keine Wimper geregt,</l><lb/><l>Und keine Muskel gezuckt,</l><lb/><l>Der Stuhl, auf den ſeine Hand gelegt,</l><lb/><l>Nur einmal leiſe geruckt.</l><lb/><l>Ihr folgend mit den ſtechenden Blicken</l><lb/><l>Wandt' er ſich langſam wie ſie ſchritt,</l><lb/><l>Doch als er ſie an's Cloſet ſah drücken,</l><lb/><l>Da zuckte er auf, als wolle er mit.</l><lb/></lg><lgn="8"><l>Und „Arnold!“ rief's aus dem Geldverließ,</l><lb/><l>— Er beugte vornüber, weit —</l><lb/><l>Und wieder „Arnold!“ſo klagend ſüß,</l><lb/><l>— Er legte die Feder bei Seit' —</l><lb/><l>Zum dritten Mal, wie die blutige Trauer,</l><lb/><l>„Arnold!“— den Meerſchaumkopf im Nu</l><lb/><l>Erfaßt er, ſchleudert' ihn gegen die Mauer,</l><lb/><l>Schritt in's Cloſet und riegelte zu.</l><lb/></lg><lgn="9"><l>Wir aber ſtürzten in wilder Haſt</l><lb/><l>Hinaus an das Abendroth,</l><lb/><l>Wir hatten uns bei den Händen gefaßt,</l><lb/><l>Und weinten uns ſchier zu todt.</l><lb/><l>Die ganze Nacht hat die Lampe geglommen,</l><lb/><l>Geknattert im Saal des Kamines Roſt,</l><lb/><l>Und als der dritte Abend gekommen,</l><lb/><l>Da ſetzte der Vater ſich auf die Poſt.</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[348/0362]
Und wieder ſah ich die mich geboren,
Verbannt, verſtoßen vom heiligen Grund,
O, nimmer hab' ich das Bild verloren,
Es folgt mir noch in der Todesſtund!
Und Er? — hat keine Wimper geregt,
Und keine Muskel gezuckt,
Der Stuhl, auf den ſeine Hand gelegt,
Nur einmal leiſe geruckt.
Ihr folgend mit den ſtechenden Blicken
Wandt' er ſich langſam wie ſie ſchritt,
Doch als er ſie an's Cloſet ſah drücken,
Da zuckte er auf, als wolle er mit.
Und „Arnold!“ rief's aus dem Geldverließ,
— Er beugte vornüber, weit —
Und wieder „Arnold!“ ſo klagend ſüß,
— Er legte die Feder bei Seit' —
Zum dritten Mal, wie die blutige Trauer,
„Arnold!“ — den Meerſchaumkopf im Nu
Erfaßt er, ſchleudert' ihn gegen die Mauer,
Schritt in's Cloſet und riegelte zu.
Wir aber ſtürzten in wilder Haſt
Hinaus an das Abendroth,
Wir hatten uns bei den Händen gefaßt,
Und weinten uns ſchier zu todt.
Die ganze Nacht hat die Lampe geglommen,
Geknattert im Saal des Kamines Roſt,
Und als der dritte Abend gekommen,
Da ſetzte der Vater ſich auf die Poſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/362>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.