Du denkst wohl, daß keines Odems Hauch Die schaurige Oede brach, Und still war's in dem Closete auch, Noch lange lauschten wir nach. Da sah ich zusammen den Alten fallen, Und seine Schläfe schlug an den Stein, Da ließen wir unser Geschrei erschallen, Da stürzten unsere Diener herein.
Du sagst mir nichts, doch zweifl' ich nicht, Du schüttelst dein Haupt, Marie, Ein Greis -- zwei Kinder -- im Dämmerlicht -- Da waltet die Phantasie! Was wollte ich nicht um dein Lächeln geben, Um deine Zweifel, du gute Frau, Doch wieder sag' ichs: bei meinem Leben! Marie, wir sahen und hörten genau!
Am Morgen kehrte der Vater heim, Verstimmt und müde gehetzt, Und war er nimmer ein Honigseim, So war er ein Wermuth jetzt. Auch waren es wohl bedenkliche Worte, Die er gesprochen zum alten Mann, Denn laut sie haderten an der Pforte, Und schieden in tiefer Empörung dann.
Nun ward durchstöbert das ganze Haus, Ein Jeder gefragt, gequält,
Du denkſt wohl, daß keines Odems Hauch Die ſchaurige Oede brach, Und ſtill war's in dem Cloſete auch, Noch lange lauſchten wir nach. Da ſah ich zuſammen den Alten fallen, Und ſeine Schläfe ſchlug an den Stein, Da ließen wir unſer Geſchrei erſchallen, Da ſtürzten unſere Diener herein.
Du ſagſt mir nichts, doch zweifl’ ich nicht, Du ſchüttelſt dein Haupt, Marie, Ein Greis — zwei Kinder — im Dämmerlicht — Da waltet die Phantaſie! Was wollte ich nicht um dein Lächeln geben, Um deine Zweifel, du gute Frau, Doch wieder ſag’ ichs: bei meinem Leben! Marie, wir ſahen und hörten genau!
Am Morgen kehrte der Vater heim, Verſtimmt und müde gehetzt, Und war er nimmer ein Honigſeim, So war er ein Wermuth jetzt. Auch waren es wohl bedenkliche Worte, Die er geſprochen zum alten Mann, Denn laut ſie haderten an der Pforte, Und ſchieden in tiefer Empörung dann.
Nun ward durchſtöbert das ganze Haus, Ein Jeder gefragt, gequält,
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Du denkſt wohl, daß keines Odems Hauch
Die ſchaurige Oede brach,
Und ſtill war's in dem Cloſete auch,
Noch lange lauſchten wir nach.
Da ſah ich zuſammen den Alten fallen,
Und ſeine Schläfe ſchlug an den Stein,
Da ließen wir unſer Geſchrei erſchallen,
Da ſtürzten unſere Diener herein.
Du ſagſt mir nichts, doch zweifl’ ich nicht,
Du ſchüttelſt dein Haupt, Marie,
Ein Greis — zwei Kinder — im Dämmerlicht —
Da waltet die Phantaſie!
Was wollte ich nicht um dein Lächeln geben,
Um deine Zweifel, du gute Frau,
Doch wieder ſag’ ichs: bei meinem Leben!
Marie, wir ſahen und hörten genau!
Am Morgen kehrte der Vater heim,
Verſtimmt und müde gehetzt,
Und war er nimmer ein Honigſeim,
So war er ein Wermuth jetzt.
Auch waren es wohl bedenkliche Worte,
Die er geſprochen zum alten Mann,
Denn laut ſie haderten an der Pforte,
Und ſchieden in tiefer Empörung dann.
Nun ward durchſtöbert das ganze Haus,
Ein Jeder gefragt, gequält,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/360>, abgerufen am 16.02.2025.
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