Doch trieb der Vater sich um -- vielleicht In London oder in Wien -- Dann lebten wir auf und athmeten leicht, Und schossen wie Kressen so grün. Durch lustige Schwänke machte uns lachen Der gute Meßner, dürr und ergraut, Der dann uns Alle sollte bewachen, Denn meiner Mutter ward Nichts vertraut.
Da schickte der Himmel ein schweres Leid, Sie schlich so lange umher, Und härmte sich sachte in's Sterbekleid, Wir machten das Scheiden ihr schwer! Wir waren wie irre Vögel im Haine, Zu früh entflattert dem treuen Nest, Bald tobten wir toll über Blöcke und Steine, Und duckten bald, in den Winkel gepreßt.
Dem alten Manne ward kalt und heiß, Dem würdigen Sakristan, Sah er besudelt mit Staub und Schweiß Und glühend wie Oefen uns nahn; Doch traten wir in die verödete Kammer, Und sahn das Schemelchen am Clavier, Dann strömte der unbändige Jammer, Und nach der Mutter wimmerten wir.
Am sechsten Abend nachdem sie fort -- Wir kauerten am Kamin, Der Alte lehnte am Simse dort Und sah die Kohlen verglühn,
Doch trieb der Vater ſich um — vielleicht In London oder in Wien — Dann lebten wir auf und athmeten leicht, Und ſchoſſen wie Kreſſen ſo grün. Durch luſtige Schwänke machte uns lachen Der gute Meßner, dürr und ergraut, Der dann uns Alle ſollte bewachen, Denn meiner Mutter ward Nichts vertraut.
Da ſchickte der Himmel ein ſchweres Leid, Sie ſchlich ſo lange umher, Und härmte ſich ſachte in's Sterbekleid, Wir machten das Scheiden ihr ſchwer! Wir waren wie irre Vögel im Haine, Zu früh entflattert dem treuen Neſt, Bald tobten wir toll über Blöcke und Steine, Und duckten bald, in den Winkel gepreßt.
Dem alten Manne ward kalt und heiß, Dem würdigen Sakriſtan, Sah er beſudelt mit Staub und Schweiß Und glühend wie Oefen uns nahn; Doch traten wir in die verödete Kammer, Und ſahn das Schemelchen am Clavier, Dann ſtrömte der unbändige Jammer, Und nach der Mutter wimmerten wir.
Am ſechsten Abend nachdem ſie fort — Wir kauerten am Kamin, Der Alte lehnte am Simſe dort Und ſah die Kohlen verglühn,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0358"n="344"/><lgn="4"><l>Doch trieb der Vater ſich um — vielleicht</l><lb/><l>In London oder in Wien —</l><lb/><l>Dann lebten wir auf und athmeten leicht,</l><lb/><l>Und ſchoſſen wie Kreſſen ſo grün.</l><lb/><l>Durch luſtige Schwänke machte uns lachen</l><lb/><l>Der gute Meßner, dürr und ergraut,</l><lb/><l>Der dann uns Alle ſollte bewachen,</l><lb/><l>Denn meiner Mutter ward Nichts vertraut.</l><lb/></lg><lgn="5"><l>Da ſchickte der Himmel ein ſchweres Leid,</l><lb/><l>Sie ſchlich ſo lange umher,</l><lb/><l>Und härmte ſich ſachte in's Sterbekleid,</l><lb/><l><hirendition="#g">Wir</hi> machten das Scheiden ihr ſchwer!</l><lb/><l>Wir waren wie irre Vögel im Haine,</l><lb/><l>Zu früh entflattert dem treuen Neſt,</l><lb/><l>Bald tobten wir toll über Blöcke und Steine,</l><lb/><l>Und duckten bald, in den Winkel gepreßt.</l><lb/></lg><lgn="6"><l>Dem alten Manne ward kalt und heiß,</l><lb/><l>Dem würdigen Sakriſtan,</l><lb/><l>Sah er beſudelt mit Staub und Schweiß</l><lb/><l>Und glühend wie Oefen uns nahn;</l><lb/><l>Doch traten wir in die verödete Kammer,</l><lb/><l>Und ſahn das Schemelchen am Clavier,</l><lb/><l>Dann ſtrömte der unbändige Jammer,</l><lb/><l>Und nach der Mutter wimmerten wir.</l><lb/></lg><lgn="7"><l>Am ſechsten Abend nachdem ſie fort</l><lb/><l>— Wir kauerten am Kamin,</l><lb/><l>Der Alte lehnte am Simſe dort</l><lb/><l>Und ſah die Kohlen verglühn,</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[344/0358]
Doch trieb der Vater ſich um — vielleicht
In London oder in Wien —
Dann lebten wir auf und athmeten leicht,
Und ſchoſſen wie Kreſſen ſo grün.
Durch luſtige Schwänke machte uns lachen
Der gute Meßner, dürr und ergraut,
Der dann uns Alle ſollte bewachen,
Denn meiner Mutter ward Nichts vertraut.
Da ſchickte der Himmel ein ſchweres Leid,
Sie ſchlich ſo lange umher,
Und härmte ſich ſachte in's Sterbekleid,
Wir machten das Scheiden ihr ſchwer!
Wir waren wie irre Vögel im Haine,
Zu früh entflattert dem treuen Neſt,
Bald tobten wir toll über Blöcke und Steine,
Und duckten bald, in den Winkel gepreßt.
Dem alten Manne ward kalt und heiß,
Dem würdigen Sakriſtan,
Sah er beſudelt mit Staub und Schweiß
Und glühend wie Oefen uns nahn;
Doch traten wir in die verödete Kammer,
Und ſahn das Schemelchen am Clavier,
Dann ſtrömte der unbändige Jammer,
Und nach der Mutter wimmerten wir.
Am ſechsten Abend nachdem ſie fort
— Wir kauerten am Kamin,
Der Alte lehnte am Simſe dort
Und ſah die Kohlen verglühn,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/358>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.