Er schüttelt das Haupt, er streicht den Bart, Und scheint auf die Welle zu deuten. Und schau den Spitz! er schnuppert am Grund -- "Was suchst du denn in den Gleisen? Fidel, Fidel!" fort strauchelt der Hund, Und heulet wie Wölfe im Eisen.
Barmherziger Himmel! ihr wird so bang, Sie watet im brennenden Sande, Und wieder erhebt sich so hohl und lang Des Hundes Geheul vom Strande. O Gott, eine triefende Leich' im Kies, Eine Leich' mit dem Auge des Stieres! Und drüber kreucht das zottige Vlies Des lahmen wimmernden Thieres.
Gertrude steht, sie starret herab, Mit Blicken irrer und irrer, Dann beugt sie über die Leiche hinab, Mit Lächeln wirrer und wirrer, Sie wiegt das Haupt bald so bald so, Sie flüstert mit zuckendem Munde, Und eh die zweite Minute entfloh, Da liegt sie kniend am Grunde.
Sie faßt der Todten geschwollene Hand, Ihr Haar voll Muscheln und Tange, Sie faßt ihr triefend zerlumptes Gewand, Und säubert von Kiese die Wange;
Er ſchüttelt das Haupt, er ſtreicht den Bart, Und ſcheint auf die Welle zu deuten. Und ſchau den Spitz! er ſchnuppert am Grund — „Was ſuchſt du denn in den Gleiſen? Fidel, Fidel!“ fort ſtrauchelt der Hund, Und heulet wie Wölfe im Eiſen.
Barmherziger Himmel! ihr wird ſo bang, Sie watet im brennenden Sande, Und wieder erhebt ſich ſo hohl und lang Des Hundes Geheul vom Strande. O Gott, eine triefende Leich' im Kies, Eine Leich' mit dem Auge des Stieres! Und drüber kreucht das zottige Vlies Des lahmen wimmernden Thieres.
Gertrude ſteht, ſie ſtarret herab, Mit Blicken irrer und irrer, Dann beugt ſie über die Leiche hinab, Mit Lächeln wirrer und wirrer, Sie wiegt das Haupt bald ſo bald ſo, Sie flüſtert mit zuckendem Munde, Und eh die zweite Minute entfloh, Da liegt ſie kniend am Grunde.
Sie faßt der Todten geſchwollene Hand, Ihr Haar voll Muſcheln und Tange, Sie faßt ihr triefend zerlumptes Gewand, Und ſäubert von Kieſe die Wange;
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Er ſchüttelt das Haupt, er ſtreicht den Bart,
Und ſcheint auf die Welle zu deuten.
Und ſchau den Spitz! er ſchnuppert am Grund —
„Was ſuchſt du denn in den Gleiſen?
Fidel, Fidel!“ fort ſtrauchelt der Hund,
Und heulet wie Wölfe im Eiſen.
Barmherziger Himmel! ihr wird ſo bang,
Sie watet im brennenden Sande,
Und wieder erhebt ſich ſo hohl und lang
Des Hundes Geheul vom Strande.
O Gott, eine triefende Leich' im Kies,
Eine Leich' mit dem Auge des Stieres!
Und drüber kreucht das zottige Vlies
Des lahmen wimmernden Thieres.
Gertrude ſteht, ſie ſtarret herab,
Mit Blicken irrer und irrer,
Dann beugt ſie über die Leiche hinab,
Mit Lächeln wirrer und wirrer,
Sie wiegt das Haupt bald ſo bald ſo,
Sie flüſtert mit zuckendem Munde,
Und eh die zweite Minute entfloh,
Da liegt ſie kniend am Grunde.
Sie faßt der Todten geſchwollene Hand,
Ihr Haar voll Muſcheln und Tange,
Sie faßt ihr triefend zerlumptes Gewand,
Und ſäubert von Kieſe die Wange;
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/344>, abgerufen am 25.11.2024.
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